Schwaerzer als der Tod Thriller
verkniff sich eine Bemerkung. Er war froh, dass ihr Vater neunundsiebzig war und nicht neunundvierzig. Anne machte Anstalten, den dunklen Flur hinunterzugehen, und er hielt sie sanft am Arm fest.
»Halt, nicht so schnell. Nicht einfach in dunkle Flure rennen«, sagte er warnend. »Achten Sie darauf, dass Türen und Fenster geschlossen sind?«
»Seit dieser Woche tue ich es«, sagte sie.
Vince schaltete das Licht ein. »Man kann nie vorsichtig genug sein. Wir wissen zwar nicht, wer der Mörder ist, aber es ist auf jeden Fall nicht der Mann, der im Gefängnis sitzt. Es könnte jemand sein, den Sie kennen.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Und genau damit rechnet dieser Typ von Täter. Er versteckt sich vor aller Augen, und das Wissen, dass ihn niemand verdächtigt, törnt ihn an.«
»Das ist erschreckend«, sagte sie, und tatsächlich stand ihr der Schrecken in den hübschen braunen Augen.
»Besser, Sie wissen es. Sie entsprechen zwar nicht unbedingt dem Opferschema, aber Sie haben das richtige Alter, und Sie sind weiß Gott hübsch«, sagte er und strich mit seinem rauen Zeigefinger über ihre kleine Stupsnase. »Zwar haben Sie keine Verbindung zum Thomas Center, aber ich habe auch keine Kristallkugel. Er könnte Sie von irgendwoher anders kennen und zu dem Schluss gekommen sein, dass sie seinem Schema gut genug entsprechen.«
»Sie machen mir Angst«, flüsterte sie.
»Ich will nur, dass Sie vorsichtig sind. Wenn Sie sich in einer Situation unwohl fühlen, gibt es auch einen Grund dafür. Dann sollten Sie zusehen, dass Sie wegkommen, und mich anrufen. Tag und Nacht. Oder rufen Sie im Büro des Sheriffs an und fragen Sie nach Mendez. Okay?«
Sie sah ihn an und nickte ernst. Sein Blick verweilte ein kleines bisschen zu lange auf ihrer vollen, leicht geschwungenen Unterlippe. Die Erinnerung an den Geschmack ihres Mundes war noch frisch. Die wenigen Zentimeter Luft zwischen ihnen schienen elektrisch aufgeladen. Er machte sie nervös.
»Ich zeige Ihnen das Haus«, sagte sie, und ihre Stimme klang ein wenig atemlos, als sie sich umdrehte und den Flur hinunterging.
Hinter der ersten Tür, zu der sie kamen, lag ein gemütliches Arbeits- und Lesezimmer mit einem großen alten Mahagonischreibtisch und wuchtigen Ledersesseln. Der Raum hatte eine männliche Ausstrahlung. Das Arbeitszimmer ihres Vaters, die Einbauregale bis unter die Decke mit Büchern vollgestopft. Vince ging zum Fenster, um sich vergewissern, dass es verriegelt war.
Unter der letzten Tür im Flur drang ein Lichtschimmer hervor. Das Schlafzimmer ihres Vaters.
Anne klopfte und öffnete die Tür einen Spalt. »Ich bin wieder da.«
Ihr Vater saß in einem dunkelbraunen Pyjama im Bett und las. Neben dem Bett stand ein Sauerstoffgerät, aus dem über durchsichtige Schläuche Luft in seine Nasenlöcher geleitet wurde. Er blickte nicht einmal auf, sondern brummelte nur irgendetwas vor sich hin.
»Hast du deine Tabletten genommen?«
Er gab ein Grunzen von sich, das alles Mögliche hätte bedeuten können.
»Falls nicht, ich habe hier einen Agent vom FBI bei mir, der sorgt dafür, dass du sie nimmst.«
Nicht einmal das entlockte dem alten Mann eine Reaktion. Anne schloss die Tür und verdrehte die Augen. »So viel Liebe ist einfach überwältigend, oder?«
Der trockene Sarkasmus, mit dem sie das sagte, ließ darauf schließen, dass es ihr schon lange egal war, ob ihr Vater etwas für sie empfand, dachte Vince.
»Hat er Schwierigkeiten mit dem Sprechen?«, fragte er, als sie durch den Flur zurückgingen.
»Nein«, sagte sie. »Er ist ein Idiot.«
»Aha.«
Und dennoch hatte sie ihre Ausbildung abgebrochen und auf ihren Wunschberuf verzichtet und war nach Hause zurückgekehrt,
um ihn zu pflegen. Als ihre Mutter gestorben war. Es war nicht schwierig, sich die Geschichte aus ihren Erzählungen gestern Abend und aus der Situation hier zusammenzureimen. Sie musste nach Hause zurückgekehrt sein, weil ihre Mutter sie darum gebeten hatte. Der Umstand, dass sie das trotz ihrer Gefühle für den alten Mann getan hatte, sprach Bände darüber, was für eine Frau Anne Navarre war.
»Finden Sie, dass ich eine schlechte Tochter bin?«, fragte sie.
»Nein. Ehrlich gesagt, finde ich, dass Sie ziemlich bemerkenswert sind.«
Verlegen wich sie seinem Blick aus. »Mist, jetzt habe ich ganz vergessen, ihn zu fragen, ob er irgendwelche irren Mörder im Haus gesehen hat.«
»Das wäre sowieso mein Job«, sagte Vince.
Sie zeigte ihm den Rest des Hauses und
Weitere Kostenlose Bücher