Schwaerzer als der Tod Thriller
halbe Stunde Mitgefühl aus ihnen herauspressen, während er sie bei Jeopardy! schlug.
Anne eilte in ihr Zimmer, um zu duschen und sich umzuziehen. Das Thomas Center hielt eine Mahnwache für Karly Vickers und zum Gedenken an Lisa Warwick ab, und sie hatte das Bedürfnis, dabei zu sein. Sie wollte nicht darüber nachdenken, dass sie insgeheim hoffte, Vince dort zu treffen, genauso wie sie nicht allzu intensiv darüber nachdenken
wollte, dass er sie geküsst hatte. Sie hatte sich von ihm küssen lassen.
Dazu war es nur deshalb gekommen, weil sie sich schwach und verletzlich gefühlt hatte und er im Vergleich dazu so stark und sicher gewirkt hatte. Und sie wollte ihm vertrauen. Den größten Teil ihres Lebens hatte sie in einem emotionalen Vakuum verbracht. Aber in diesem einen Moment der Schwäche hatte sie den Wunsch gehabt, ihren Schutzschild fallen zu lassen, um für kurze Zeit die Nähe und den Trost einer anderen menschlichen Seele zu spüren.
Der Klang seiner leisen, rauen Stimme hallte warm in ihrem Kopf wider, als sie vor dem Spiegel in ihrem Bad stand.
Ist ja gut. An dieser Schulter haben sich schon andere ausgeweint.
Bei der Erinnerung daran, wie sehr sie sich danach gesehnt hatte, jemanden diese Worte sagen zu hören, zog sich alles in ihr zusammen.
Jetzt schob sie dieses Gefühl als sinnlose Zeitverschwendung beiseite. Es gab einiges zu erledigen, und Sehnsucht stand nicht an erster Stelle auf ihrer Liste.
Das Thomas Center bestand aus mehreren weiß verputzten Gebäuden, die von den frühen zwanziger bis in die sechziger Jahre eine private katholische Mädchenschule beherbergt hatten. Im Stil einer alten spanischen Missionsstation erbaut, umschlossen die Gebäude einen Innenhof mit einem Springbrunnen in der Mitte und schlichten, hübschen Blumenrabatten entlang der gepflasterten Wege.
Bei Tag wunderschön. Bei Kerzenlicht geradezu magisch. Es sah aus, als würden Hunderte von winzigen Flammen durch die Dunkelheit tanzen. Der Hof war voller Menschen. Franny hatte vor Annes Eintreffen bereits das Terrain sondiert
und eine Stelle ausgesucht, die ihm zum Lauschen besonders gut geeignet erschien.
»Das ist mein heutiges Abendprogramm«, sagte er, als sie sich zu ihm gesellte. »Dafür lasse ich Miami Vice sausen.«
»Na, dann hoffe ich um deinetwillen, dass irgendwann eine Autoverfolgungsjagd stattfindet«, sagte Anne.
»Es würde mir reichen, Don Johnson zu Gesicht zu bekommen. Oder deinen Mr Leone«, erwiderte er und stellte sich auf die Zehenspitzen, um die Menge abzusuchen. »Was habt ihr im Park gemacht, Anne? Die Horizontale erprobt?«
»Ja, klar, in einem Grab«, flüsterte Anne. »Etwas mehr Respekt, bitte. Wir sind hier bei einer Mahnwache.«
»Wir sollten eine Mahnwache für deine Vagina abhalten, wenn du den italienischen Hengst angaloppieren lässt.«
Ein paar Köpfe drehten sich in ihre Richtung. Anne kniff Franny fest in den Arm. »Benimm dich!«
»Es hat mir gefallen, wie er seine Hand auf deinen Rücken gelegt hat«, sagte er. »Sehr besitzergreifend. Eine große Hand, sollte ich vielleicht hinzufügen.«
Anne machte »Psst« und versuchte sich einzureden, dass die Hitze, die sie durchfuhr, nur von ihrer Verlegenheit herrührte und nichts mit der Erinnerung an Vince Leones Berührung zu tun hatte.
Jane Thomas betrat ein kleines Podium, das auf einer Seite des Hofes aufgestellt war, und dankte allen für ihr Kommen. Das Programm war kurz. Zum Gedenken an Lisa Warwick wurde ein Gedicht verlesen. Es erging eine Bitte an die Öffentlichkeit um sachdienliche Hinweise zu den beiden Fällen. Es wurde bekannt gegeben, dass vom Thomas Center eine Belohnung ausgesetzt worden war. Im Gedenken an Lisa würden Spenden entgegengenommen. Eine ortsansässige Folksängerin betrat die Bühne und sang ein Lied, das allen Anwesenden die Tränen in die Augen trieb. Ende.
Sie ließen sich mit dem Strom von Besuchern zum Ausgang treiben. Hier und da drangen Gesprächsfetzen über die Funde auf dem Schrottplatz zu ihnen. Die Spekulationen über die plötzliche Häufung von Verbrechen reichten von dem Bösen, das sich allmählich von Los Angeles her nach Norden ausbreitete, bis zum allgemeinen Niedergang eines einstmals großartigen Landes.
»Ich brauche einen Espresso«, erklärte Franny, als sie wieder auf dem Bürgersteig standen. »So viel Melancholie verkrafte ich nicht.«
Als sie sich in Richtung Fußgängerzone aufmachen wollten, sah Anne aus dem Augenwinkel heraus etwas Rotes
Weitere Kostenlose Bücher