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Schwaerzer als der Tod Thriller

Titel: Schwaerzer als der Tod Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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wirkte jedoch nicht überzeugt. Sie wollte nicht mehr darüber reden, sonst würde ihr alles wieder einfallen und sie würde sich wieder verwirrt und verletzt fühlen. Sie war ein Mensch, der seinen Gefühlshaushalt genauso ordentlich und sauber hielt wie sein Haus, vermutete er. Und wahrscheinlich tat sie es deswegen, weil sie als Kind auch nicht sehr viel Halt in ihrer Familie gefunden hatte. Das erklärte ihre emotionale Bindung an Tommy Crane. Sie betrachtete den kleinen Jungen mit den Augen des kleinen Mädchens, das sie gewesen war.
    Die Vorstellung von ihr als einsames kleines Mädchen weckte in ihm den Wunsch, sie in die Arme zu nehmen und festzuhalten, ihr das Gefühl von Sicherheit zu geben.
    Sie sah ihn aus dem Augenwinkel an. »Erzählen Sie mir von sich. Bis jetzt weiß ich nur, dass Sie für das FBI arbeiten und anders sind als die anderen.«
    Er lächelte. »Ich? Ich bin ein altgedienter Cop aus Chicago. Ich stamme aus einer lauten italienischen Familie. Ich habe eine Exfrau und zwei Töchter - Amy und Emily.«
    »Wie alt?«
    »Fünfzehn und siebzehn.« Er beugte sich zu ihr, als wollte er ihr ein Geheimnis anvertrauen. »Ich bin achtundvierzig, aber das spielt nicht die geringste Rolle.«

    Selbst in dem dämmrigen Licht sah er, dass sie errötete und verlegen lächelte. »Ich bin achtundzwanzig, und wir haben uns erst gestern kennengelernt.«
    »Ja. Und morgen könnte jeder von uns von einem Bus überfahren werden. Wir können nicht in die Zukunft sehen. Deshalb sollten wir jeden Tag so leben, als wäre es unser letzter.«
    Wie um ihn an den Wahrheitsgehalt dieser Aussage zu erinnern, fand in seinem Kopf eine kleine Explosion statt, als würde mit einem Riesenknall eine Sicherung durchbrennen. Einen Moment lang bekam er keine Luft mehr, und er beugte sich nach vorn und umfasste seinen Kopf mit beiden Händen.
    Sofort rückte Anne zu ihm und legte ihm die Hand auf den Rücken. »Alles in Ordnung, Vince? Was ist los?«
    »Kopfschmerzen«, sagte er gepresst. »Wow.«
    »Kann ich irgendetwas tun? Ein Eisbeutel? Aspirin?«
    »Mir geht’s gleich wieder gut.«
    Er atmete langsam und flach durch den Mund und kämpfte gegen die Übelkeit an, die unweigerlich folgen würde, und gegen die nächste Schmerzwelle, die wiederum darauf folgen würde. Verdammte Kugel. Verdammt schlechtes Timing.
    »Sie sehen aber nicht gut aus.«
    »Ich brauche einen Moment«, sagte er, fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und rieb seine Kopfhaut in dem Versuch, etwas von dem Druck wegzumassieren.
    »Ist es Migräne?«, fragte Anne besorgt. »Dann sollten Sie keinen Rotwein trinken.«
    »Es ist eine Kugel«, sagte er und entspannte sich, als der Schmerz nachließ. An seine Stelle trat das Gefühl völliger Erschöpfung. Vince ließ sich in die Polster sinken und drehte den Kopf, um Anne anzusehen.
    Sie wirkte verwirrt. »Wie bitte?«

    »Es ist eine Kugel«, wiederholte er. »Vergangenen Winter wurde ich zu einer Zahl in der Verbrechensstatistik. Ein Junkie versuchte mich auszurauben und schoss mir in den Kopf.«
    »Mein Gott!«
    »Das meiste von der Kugel steckt noch drin. Zum Glück habe ich diesen Teil meines Gehirns sowieso nie benutzt.«
    »Sie haben eine Kugel im Kopf«, sagte sie, als könnte sie es besser begreifen, wenn sie es selbst aussprach. »Wie kann das sein? Müssten Sie nicht tot sein?«
    »Ja. Müsste ich«, sagte er. »Bin ich aber nicht. Stattdessen bin ich einfach nur ein Mann mit Kopfschmerzen und lebe mein Leben weiter.«
    »Kann man sie nicht entfernen?«
    »Nicht, ohne mich in einen sabbernden Kretin zu verwandeln.«
    »Aber was passiert da drin?«
    Er zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Es gibt nicht sehr viele vergleichbare Fälle, wie Sie sich vielleicht vorstellen können. Bis jetzt ist der Schmerz das Schlimmste. Er kommt und geht. Nichts, womit ich nicht fertig werden könnte. Wichtiger ist, dass ich in dieser Nacht eigentlich hätte sterben müssen.
    Ich betrachte das Leben jetzt mit anderen Augen. Ich sehe mich um, entdecke etwas, was ich will, und sorge dafür, dass ich es bekomme. Es gibt kein ›Irgendwann‹. Wir haben nur das Hier und Jetzt.
    Jahrelang habe ich nur für meinen Beruf gelebt - nicht, dass ich meine Arbeit nicht gern mache -, aber ich habe viele Dinge aufgeschoben, die ich nicht hätte aufschieben sollen, weil ich dachte, dass ich später noch Zeit dafür haben würde. Das bereue ich jetzt«, gestand er. »Meine Ehe ging in die Brüche. Meine Töchter sind mir fremd, so als

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