Schwätzen und Schlachten
mir alles. Was mich nicht umhaut, macht mich stark.
Nichts weiter. Ende des Films. Dann fing er wieder von vorne an.
Danke, ich glaube nicht, dass ich es noch einmal hören möchte.
Es war einer der wenigen, die ich mir nicht nur zweimal, sondern mehrfach angeschaut habe, so gut hat er mir gefallen, dieses Schnäbeln und Küssen, das Schmausen und Kabbeln –
Ich habe nicht geschmaust! In hundert Jahren verzeih ich dir das nicht, ich habe was gut bei dir.
Aber jetzt hör zu, sagte Sydow. Sie kamen an eine Ampel, es blinkte orange und keine weiteren Autos waren zu sehen. Stanjic blieb stehen, stellte den Motor aus und zog die Handbremse, er drehte sich auf seinem Sitz herum und schaute Frederik ins Gesicht. Frederik, sagte er, ich möchte eher nichts mehr hören von meiner euphemistischen Schauspielkunst, ich suche mir einen anderen Beruf.
Nein, hör zu, in den Filmen, die ich mir dann angeschaut habe, bist du überhaupt nicht mehr mit von der Partie. Du hast einfach alle an die Wand gespielt, die anderen hattens satt. Nein, du bist nicht dabei, aber jemand anderes, den wir kennen.
Wer denn.
Sage ich dir nachher. Es war übrigens die andere Schaffensphase, es muss aus den Jahren sein, als Glaser studiert hat, von der Zeit kommt es hin. Also, im nächsten Film erschien ein junger Mann auf dem Bildschirm und erzählte uns von einem Abend im Blutigen Daumen, offensichtlich ein Lokal, während er erzählte, saß der Mann an einem Tisch und trank Kaffee.
Und wo ist das, fragte mein Lektor, er kreiste mit seinem Stift über dem Berliner Stadtplan.
In Zürich.
Ach so, sagte er enttäuscht. Ob wir das dann in die Fahrradkarte mit aufnehmen sollten?
Sicher, sagte ich, ein Leser der Bücher von Kiepenheuer & Witsch scheut keine Mühen, auch noch die entlegensten Schauplätze höchstpersönlich zu inspizieren, diese 800 Kilometer sind radelnd praktisch ein Klacks.
Prima, sagte er begeistert, das macht die Sache gleich internationaler.
Ich nickte beklommen. Vor mir sah ich eine Horde von Lesern die Autobahn entlangradeln, in der hinteren Hosentasche jeweils die von Olaf gemalte Faltkarte.
Ich habe es mir ein zweites Mal angesehen, sagte Sydow, weil es sich hervorragend für eine Tonaufnahme eignete, also hör zu. Sydow klickte den Grieg aus und legte sein eigenes Telefon auf das Armaturenbrett und schaltete auf Wiedergabe.
70. Der Analytiker-Axel
Der Abend im Blutigen Daumen , sagte ein Mann mit einer ruhigen, angenehmen Stimme, verlief ungünstig.
Wie jeden Freitag traf ich dort Axel, den erfolgreichen Analytiker, dessen Erfolg und Analytikerberuf mir gründlich auf die Nerven ging. Ich traf ihn trotzdem weiterhin jeden Freitag, aus schlechter Gewohnheit oder mangels anderer Freunde, ich weiß es nicht.
Stanjic hatte auf den Knopf gedrückt, wie, hat er gesagt, heißt der Analytiker?
Axel, sagte Sydow.
Und wie weiter?
Hat er nicht gesagt.
Komisch, sagte Stanjic, er starrte vor sich hin.
Sydow drückte auf den Wiedergabeknopf und es ging weiter.
Die Luft war dick wie Sauerkraut und Most. Ganz hinten, unter einem verkokelten Lampenschirm, saß der Analytiker und las. Aller Wahrscheinlichkeit nach was Fachliches. Analytikergetue.
Ich setzte mich zu ihm an den Tisch, suchte mit den Augen nach dem Wirt, deutete auf die Gläser, der Wirt nickte grimmig. Er war schon offensichtlich angeheitert, wobei man bei diesem Zustand wirklich nicht mehr von heiter sprechen konnte, vielmehr hatte Alkohol, vornehmlich der von ihm bevorzugte Pflümli , auf ihn eine eher verdüsternde Wirkung, die in absoluter, wütender Dunkelheit zu enden pflegte.
Er war also ersichtlich angegrantelt und knallte mir kurz darauf ein leeres Glas auf den Tisch, zerrte den Block aus der Brusttasche und starrte zornig knapp an uns vorbei.
Ich nehme die St. Galler Bratwurst , sagte der Analytiker.
Die St. Galler Bratwurst, murmelte Stanjic erschüttert.
Schh, machte Sydow, wir verpassen ja die Hälfte!
– Zeitschrift zusammen, der Wirt renkte seinen Blick ein wenig ein und spähte jetzt auf meinen Schoß, ich nickte. Wa no, knurrte er. Mit Brot, sagte der Analytiker, ich nickte. Der Wirt warf mir einen Blick zu, ich sah für einen beeindruckenden Moment das rasante Tremolo seines rechten Augenlids. Er stopfte den Block in die Brusttasche und verschwand in der Menge. Der Analytiker berichtet mir wie immer von seinem analytischen Erfolg, dann fragte er mich beiläufig nach meiner Meinung zu einem bestimmten Artikel in
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