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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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Warteschlaufe. Es war eine endlose Warteschlaufe.
    Stanjic schaltete die Musik aus und steckte das Telefon ein, und jetzt?
    Jetzt pack ichs, sagte Sydow, er schnallte sich ab und sie stiegen aus, er stopfte seinen Schal in die Jacke. Stanjic lehnte sich gegens Auto, schaute ihm zu.
    Ich recherchiere mal, sagte Sydow, er hielt seinen restlichen Schal im Arm, er hatte keine Energie mehr für die Strapazen des Gewickels, ich recherchiere mal, sagte er über das Auto zu David hinüber, woher ich das kenne.
    Ist das wichtig?, fragte Stanjic.
    Wofür?, fragte Sydow.
    Ich weiß nicht, ich meine, wenn du es recherchierst, muss es doch für irgendwas gut sein.
    Stimmt. Sydow wunderte sich selbst. Er wusste nicht zu sagen, wozu es gut war. Ich recherchiere das einfach, sagte er. Wir notieren es dann unter: was sonst noch geschah.
    Wenn es etwas mit unserem Fall zu tun hat, sagte Stanjic, verstehe ich den Zusammenhang nicht.
    Es gibt keinen Fall, sagte Sydow.
    Warum recherchierst du dann.
    Vielleicht gibt es ein geheimes Muster, das wir entschlüsseln müssen.
    Vielleicht ein aperiodisches Muster, schlug Stanjic vor.
    Was ist denn das bitte.
    Ach, ist kompliziert, aber das habe ich mal bei Simon auf dem Klo gelesen.
    Erzähl mal, aber hoppla, es ist kalt und feucht und ich bin schlapp und faul.
    David Stanjic klappte sein Notizbüchlein wieder auf, blätterte, zieh lieber deinen Schal an, es ist kompliziert. Also, sagte er, als er auf der richtigen Seite angelangt war:
    Auf dem iranischen Darb-i-Imam-Schrein von 1453 erkannte der amerikanische Physiker Peter Lu etwas, das es eigentlich nicht geben dürfte: ein Muster, das sich niemals wiederholt. Westliche Mathematiker hielten ein solches Muster noch bis Ende der 1960er-Jahre für unmöglich. Zwar erscheint jeder seiner Ausschnitte an anderer Stelle des Musters wieder, wenn man die Fläche groß genug macht. Doch die Motive tauchen unregelmäßig auf. Das Muster als Ganzes lässt sich daher nicht so verschieben, dass es deckungsgleich auf einer ins Unendliche gedachten Kopie seiner selbst zu liegen kommt. Erst in den 1970er-Jahren beschrieb der englische Physiker Roger Penrose die ersten dieser »aperiodischen« Muster. In den 1980er-Jahren fanden Forscher sie auch in der Natur, in sogenannten Quasikristallen. Dabei heißt aperiodisch nicht unsymmetrisch. Es gibt mehrere Möglichkeiten, das Muster aus der Moschee zu drehen, sodass es wieder genau gleich aussieht. Wie Lu herausfand, ist das Ornament aus nur drei Typen von Schablonen zusammengesetzt, mit denen fünf verschiedene Kacheln gebildet wurden. Bisher glaubte man, die islamischen Künstler konstruierten umständlich mit Lineal und Zirkel. Welch geometrische Wunderwerke sie da plättelten, haben sie wohl kaum bemerkt. Ihnen ging es nicht um die Theorie, sondern um die Schönheit der Form.
    Sydow starrte ihn an, er hatte sich den Schal auf den Kopf gelegt und lose um die Schultern geschlungen, du hast es in dein Notizbüchlein übertragen?
    Stanjic zeigte ihm die Seiten, hineingeklebt, sagte er.
    Tatsache, auf zwei Seiten nebeneinander klebten Klopapierfragmente, eng bedruckt.
    Warum?
    Es schien mir interessant zu sein.
    Ich verstehe es nicht.
    Ich auch nicht, ehrlich gesagt. Stanjic klappte das Büchlein zu, ich auch nicht. Aber auch was man nicht versteht, kann schön sein – wie wir dank der islamischen Künstler jetzt wissen – da sind wir dann auch wieder beim Feng-Shui. Deine Oma zum Beispiel, mit ihrem Café, ist wie die islamischen Künstler aus dem 15. Jahrhundert, sie weiß nicht, was sie tut, aber es soll hübsch aussehen. Es ist Intuition. Der Mensch weiß mehr, als er denkt. Intuition.
    Und du meinst also, sagte Sydow, er rieb sich die Augen, er konnte kaum noch klar denken, du meinst, alle Informationen sind wie Kacheln, wie Fliesen für ein Ornament.
    Ja, zum Beispiel. Am Ende sollte es schön sein, das heißt doch nur: ein gefälliges Muster ergeben. Menschen mögen es, wenn etwas symmetrisch ist, das finden wir schön, in einem Ornament in Isfahan, aber ich denke: auch sonst.
    Du meinst: im Muster des Lebens.
    Das ist ein Sprachversatzstück.
    Ja.
    Ja, im Muster des Lebens. Ich würde sagen, es ist nicht regelmäßig, aber dennoch nicht unsymmetrisch. Ich würde sagen, könnte man es am Ende überblicken und darstellen, als ein Mosaik, es wäre ein aperiodisches Muster. Jeder seiner Ausschnitte taucht an anderer Stelle des Musters wieder auf, aber nicht regelmäßig.
    Sydow hatte die Hände aufs Autodach

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