Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
Vom Netzwerk:
Wassermänner mit Fischleib, geflügelte Wesen, halb Fisch, halb Pferd, er wusste, es war dieser Brunnen der Auslöser gewesen für sein Aufhorchen. Der Brunnen kam in einem Film vor und er kam vor in Simons Schlachten text. Es war der Ort dieser – Verführung, Vergewaltigung? Es war diese Gewalttätigkeit gewesen, in dem Text, die ihm unbehaglich gewesen war, nein, nicht nur die Gewalttätigkeit, sondern die Bedrohung, die davon auszugehen schien.
    Es war der Brunnen die erste Überschneidung gewesen mit diesem Text, verstehst du, sagte er zu Sydow, ich las in dem Text von einem Brunnen, von einem Triton, der in sein Horn bläst und ein Pferd am Halfter hält, das ihm durchzugehen scheint, und es erinnerte mich an den Film, der an dem Brunnen spielte.
    Was passierte in dem Film.
    Stanjic dachte nach, er fuhr nach rechts in die kleine Seitenstraße, in der Simon wohnte, rollerte gemächlich unter den Ahornbäumen entlang. Ich glaube, sagte er, es war Abend. Ein Mann stand am Brunnen und schien auf jemanden zu warten.
    Woher weißt du das.
    David suchte den Straßenrand nach einer Parklücke ab, er schaute ab und zu auf die Uhr, sagte er, und ließ den Blick schweifen.
    Wie sah er aus?
    Groß. Dünn. Er trug eine Brille und einen groben Wollpullover, eine Tasche, es sah aus, als wären Bücher darin. Hinter dem Brunnen war irgendein großes Gebäude, erleuchtet, mit einer Totalverglasung auf den Platz. Ein hässlicher Bau, Siebzigerjahre, schätze ich mal, furchtbar hässlich. Der Brunnen war schön, vielleicht aus dem 19. Jahrhundert, vermutlich eine Allegorie auf das Wasser oder so, das Gebäude passte absolut nicht dazu. Vielleicht ein Konzerthaus. Man sah in dem hellen Licht die Deckenbemalung. Ein scheußliches, riesiges Gemälde von Figuren, viele davon nackt und unangenehm fleischig, das sah man sogar auf die Entfernung, scheußlich. Viele Leute gingen hinein, ich bin mir ziemlich sicher, dass es ein Konzerthaus war, viele fein gemachte Leute und der Mann hatte eine Verabredung.
    Die nicht kam.
    Doch. Stanjic verräumte das Auto an einem Eckparkplatz und schaltete das Licht aus, den Motor. Doch, ich glaube, am Schluss ist die Verabredung gekommen.
    Mann oder Frau.
    Das weiß ich nicht. Man sah nur, er hatte, wie schon die ganze Zeit immer wieder, wartend und suchend um sich geschaut und plötzlich hellte sich sein Gesicht auf –
    Das ist so eine Plattitüde, sagte Sydow verärgert, ein Sprachversatzstück, hellte sich sein Gesicht auf –
    Ist doch egal, dann eben: Die Erleichterung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Besser?
    Nein. Und dann?
    Dann sah man ihn von dem Brunnen weg auf jemanden zugehen, den man aber in dem Kameraausschnitt nicht sah und Schnitt. Es ging wieder von vorne los, der Mann stand am Brunnen, hinter ihm tutete ein Wassermann ins Horn, er schien zu warten.
    Hm. Sie saßen stumm in dem dunklen Auto. Sie hatten wenig Lust, auszusteigen, die Nacht war kalt und feucht und sie waren schlapp und faul.
    Ruf doch mal bei der Auskunft an, sagte Sydow.
    Stanjic klingelte durch, bei G wie Grieg, und es ertönte In der Halle des Bergkönigs.
    Jetzt beginnt es immer mit In der Halle des Bergkönigs, sagte Stanjic, anfangs war es der ganze Grieg, zwar nicht in der richtigen Reihenfolge, aber der ganze . Jetzt immer der Bergkönig.
    Sie lauschten dem heiteren Getrappel und Hüpfen und Zupfen.
    Woher kennt man das eigentlich, fragte Sydow laut über das ansteigende Brausen und Tosen hinweg.
    Woher? Stanjic drehte ein bisschen leiser, na von Peer Gynt, das ist aus dem Peer Gynt.
    Aber woher kennt man es, wenn mans nicht von Peer Gynt kennt.
    Wie meinst du das.
    Ich habe den Peer Gynt nie gesehen und nie gehört und kenne es trotzdem.
    Sagen wir so, sagte Stanjic, wenn es jetzt die Morgenstimmung wäre, würde ich sagen, mit Sicherheit aus einer Warteschlaufe. Den Bergkönig eigentlich nicht, der ist nicht so warteschlaufentypisch, da kommen an zweiter Stelle eher die Vier Jahresz–
    Es muss ein Film sein, sagte Sydow, schier erschrocken über das orchestrale Gewuchte und Schieben und mächtige Hauen.
    Sicher viele Filme, sagte Stanjic, sehr beliebt . Ich würde sagen, immer wenn in einem Film was langsam in die Gänge und dann aber richtig zur Sache kommt, passt der Bergkönig.
    Es krawummte. Ein musikalisches Gewitter krachte und rummste und Schluss.
    Es war Ruhe, sie schauten sich an, dann ging es wieder von vorne los, In der Halle des Bergkönigs, Getrappel, Gewuchte, Gewitter . Es war eine

Weitere Kostenlose Bücher