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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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gelegt und lehnte den Kopf gegen die Karosserie, okay, sagte er, weiter.
    Es gibt nur fünf verschiedene Kacheltypen im Mosaik. Gut, das übernehmen wir, warum auch nicht. Nehmen wir mal als These, dass es als Ganzes ein Bild ergibt, nur mal als These. Dann unterteilen wir alle Informationen in die fünf Typen, zum Beispiel: Der Text von Simon ist eine Kachel. Die Filme unterteilen wir in Drei verschiedene Kacheln, die Filme mit Gabriel, die Filme nach Gabriel und die Filme vor Gabriel, die haben auch alle denselben Protagonisten, den wir aber nicht kennen.
    Und die fünfte Kachel?
    Alles, was sonst noch geschieht.
    Das ist gewagt, oder?
    Ja, aber: warum nicht? Das Mosaik im Iran beweist doch genau, dass die komplexesten Resultate nicht wissenschaftlich erzielt werden müssen, es geht auch intuitiv. Unsere Intuitionsfähigkeit ist gefragt, unser Assoziationsvermögen.
    Das klingt mir doch sehr nach deinen Psychobü–
    Nein, tut es nicht, das ist Gehirnforschung. Zum Beispiel: Du kommst abends nach Hause von einem langen Tag an der Uni, die Enorm Neue Deutsche Literatur hat dich wirklich mitgenommen, du bist ganz schön knülle.
    Sydow hob den Kopf, sie grinsten sich übers Auto hinweg an, knülle, sagten sie gleichzeitig, da beißt der Österreicher jaulend ins Gras, sagte Stanjic, gut so.
    Also weiter: Du hast deine literarischen Unterlagen von dir geworfen, gehst in die Küche und legst dir eine Wurst in die Pfanne. Es ist ein Rezept von Siebeck. Nebenbei hängst du im Wohnzimmer die Wäsche auf, denkst über deinen Tag nach, die Enorm Neue Deutsche Literatur, du singst noch ein bisschen die Mame , damit du nachher beim Proben auf Zack bist, die Abendsonne malt Kringel auf den Fußboden, du entspannst dich langsam, es war ein langer Tag, die Literatur war neu und aufregend, Essen ist bald fertig. Auf einmal ist dir, als mische sich unter den köstlichen Duft deiner Wurst ein Geruch nach Angebranntem, als klinge das fröhliche Gebrutzel plötzlich anders und drohend, und ohne, dass du groß zu überlegen brauchst, schaltet dein Hirn um und du reagierst. Du schaltest, aus einem bloßen, unguten Gefühl heraus, das sich zusammensetzt aus Tausenden und Abertausenden Erfahrungen, die in deinem Unterbewussten –
    Unterbewussten, wusst ichs doch, Psychokram.
    Frederik, das Unterbewusste ist ein Fakt, ab du nun Freud gut findest oder nicht, die Gehirnforschung –
    Weißt du, ich glaube, ich finde Freud gut, das sind reine Abwehrmechanismen.
    Ja, ich weiß, Psychophobiker sind so, für so was gibt es Selbsthilfegruppen, also langweile nicht mich damit. Jedenfalls reagierst du in so einer Situation aus dem Erfahrungsschatz des Unterbewusstseins. Du erkennst sofort den Zusammenhang, du ordnest es ein, du erkennst kurzum das Problem (das Essen brennt an) und reagierst mit einer Lösung, die das Resultat deines im Unterbewusstsein gesammelten Wissens ist.
    Ich schmeiße zum Beispiel die brennende Pfanne aus dem Fenster.
    Ja, weil du ein Psycho bist, ein anderer käme da womöglich zu einem anderen Schluss.
    Verstehe. Und das Ganze jetzt übertragen auf unser Mosaik?
    Nun. Ich würde sagen, ich erarbeite ein Fünfkachelsystem und sortiere unser gesammeltes Material unter die jeweilige Form. Wir sammeln weiterhin so viele Indizien, wie wir können, und dann lassen wir unsere Intuition walten.
    Aber was, wenn ich ein Psycho bin? Dann kommt doch ein totales Psycho-Psychogramm dabei heraus, ein heilloses Chaos.
    Das ist wiederum ein interessanter Einwand, gab ihm Stanjic recht. Die Vermutung, bei einer psychisch gestörten Persönlichkeit ergebe sich überhaupt kein Muster, weder periodisch noch aperiodisch, einfach kein Muster, vielmehr eine Aneinanderreihung von losen Erfahrungen, ein Chaos. Das kann sein. Dann können wir vielleicht nur hoffen, dass es der Zufall will und es sich mit dem Chaos desjenigen trifft, der meiner Meinung nach diesen Text geschrieben hat, also Simon.
    Es gibt keinen Zufall, hast du gesagt.
    Umso besser. Dann wird es, wenn wir alles richtig machen, hundertprozentig so sein, weil es unsere volle Absicht ist.
    Sydow dachte kurz über das Gesagte nach. Er wusste haargenau, das ging hinten und vorne alles nicht auf, aber das haben Gespräche, die man in kalten und feuchten Nächten bei fortgeschrittener Faul- und Schlappheit führt, so an sich: Niemand prüft sie auf ihre Hieb und Stichfestigkeit, ganz im Gegenteil, man unterschreibt alles, damit man endlich ins Bett kommt.
    Gut, sagte er darum

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