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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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klagend und in der typisch heiseren spanischen Manier la vida la vida sang. Irgendwann stand der Mann vom Tisch auf, schnipste die CD aus der Anlage und zerbrach sie mit einer Hand, mit der anderen packte er den Barkeeper am Revers, zog ihn über den Tresen und nagelte mit einem Hieb seine Zunge mithilfe einer CD -Scherbe ins Tresenholz. Ende, es ging wieder von vorne los, das Leben, sagte der Barkeeper melancholisch, ist ein Flur mit vielen Türen, vom CD -Player mauschelte einer la vida la vida.
    Und so weiter, er hatte doch einige der Filme gesehen, manchmal spielte eine Frau mit, man sah sie nie von vorn. Es konnte Katharina sein oder auch nicht, der Mann aber war immer am Start, begleitet von wechselnden Mitspielern. Er ging durch eine Stadt, die David nicht kannte, er saß auf einer Bank auf einer großen Wiese, wo David noch nie gesessen, er besuchte eine Buchhandlung, deren Inhaber David nicht kannte, und legte sich mit einem tätowierten Hundebesitzer an ( Gehört dir die Töle? – Wieso duzt du mich, Arschgesicht. – Ob dir die Töle gehört, habe ich gefragt. – Sag mal, hast du sie noch alle? Nenn mein Mädchen noch einmal Töle und ich mach dich platt. – Hat ne tolle Tolle, deine Töle. Und der Hundebesitzer machte ihn platt, haute ihm so fadengerade eins in die Backe, dass er ohne Umstände zusammenklappte und zu Boden ging. Dann gings wieder von vorne los, gehört dir die Töle? Usw.). Auch der Film am Brunnen vor diesem Konzerthaus gehörte in diese Kategorie.
    Stanjic war sich übrigens nicht sicher, wie viel an diesen Filmen eigentlich einem Drehbuch und einer regelrechten Inszenierung unterlag. Mitunter schienen sie ihm durchkomponiert von vorne bis hinten, dann wieder hätte er seine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass beispielsweise der Tölenfilm, tja, wie sollte er sagen, mit Laien arbeitete? Er war sich ziemlich sicher, dass der Hundebesitzer kein Mitspieler war, er war einfach ein Hundebesitzer, ging mit seinem Mädchen durch den Park und haute einem, der ihm hier blöd kam, eins auf die Fresse. Der Hundebesitzer war, Stanjic warf sich ungern mit ihm in einem Topf, aber es war die traurige Wahrheit, der Hundebesitzer war in dem Film das, was er selbst in der Uetliberg-Episode war: ein unwissender Mitspieler in einem Stück, in dem er freiwillig keine Rolle übernehmen würde.
    Es gab von dieser Sorte Film einige, es wäre müßig, sie hier alle aufzuzählen. Alles in allem ging es darin um Überraschungsmomente, sowohl für die Spielenden als auch für die Zuschauenden, um Provokationen oder Konfrontationen. Stanjic legte alles, was er erinnerte, ab unter den lila Kacheln, er hatte bei Weitem am meisten Filme aus der frühesten Periode gesehen.
    Die roten Kacheln waren die Filme nach Gabriel. Er dachte mit Unbehagen an die beiden, in denen er selbst als Protagonist fungierte, er hoffte, es waren die einzigen. Er nahm an, dass alle Filme, in denen weder der Unbekannte noch Gabriel mitspielten, der Ära nach Gabriel angehörten. Sicher war er sich natürlich nicht, aber es vereinfachte die Sache enorm.
    Er strich sich den Vermerk mehr Filme schauen rot an, und, fügte er hinzu, beschriften und auf Daten überprüfen. Das war gut, sowie er die Filme auf die Jahreszahlen lokalisiert hatte, war es leicht, sie den entsprechenden Kacheln zuzuordnen.
    Blieb nur noch die große blaue Kachel: was sonst noch geschah.
    Hier listete er alles auf, was ihm wichtig erschien.
    Glasers Veränderung. Er hatte nach seiner Ankunft in Berlin bei Simon Glaser gewohnt. Er war nach Zürich gereist und kurz nach seiner Rückkehr hatte er eine eigene Wohnung genommen, er hatte angefangen, diesen Text zu lesen, und etwa in dieselbe Zeit fiel Glasers Veränderung. Er kam kaum mehr ins Tante, er verpasste die Proben, er war selten zu Hause, vernachlässigte seine Wohnung, er wurde verschwiegen.
    Stanjic notierte sich alles, dazu auch das vermehrte und glaseruntypische Kaffeetrinken, die beiden Tassen auf seinem Küchentisch. Er notierte sich die neue Nachbarin. Wann war sie eingezogen, bei Glaser im Haus? Es war nach seinem Auszug gewesen und, das notierte er sich als weitere These, es fiel zusammen mit Glasers Veränderung.
    Was war noch so gewesen, in den letzten Wochen und Monaten? Ihm fiel der Mann ein, aus dem Auto hinter ihnen. Er wusste, Sydow hielt das für Blödsinn, aber er hatte das Gefühl, es war immer derselbe. Immer derselbe und ihm war, als kannte er ihn von irgendwoher, aber er kam nicht darauf, von

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