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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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wo.
    Er notierte alle Gelegenheiten, an die er sich erinnerte, den Mann im Auto hinter sich gehabt zu haben.
    Er legte sich auf den Bauch und überlegte kreuz und quer, er schrieb den Schiesser Feinripp auf seine Liste, das Kastanienjoghurt, er notierte Sydows Fund der Dias. Die Dias selbst wiederum listete er unter die gelben Gabrielkacheln, sie schienen aus dieser Zeit zu stammen.
    Er verbrachte dann einen langen und eintönigen verregneten Nachmittag damit, die einzelnen Kachelschablonen im Copyshop zu vervielfältigen und sie hinterher, wieder bei sich zu Hause, auszuschneiden.
    Er schaute sich allerlei Bilder an von beispielhaften aperiodischen Mustern, er betrachtete die Fotografien des Schreins im alten Isfahan, er sichtete diverse Penroseparkettierungen und Quasikristalle, er kaufte sich einen Blumenkohl, weil der Blumenkohl, er ist ein Meisterwerk der Aperiodik, er sah in alldem die Schönheit in einer unordentlichen Ordnung und würde sich nun ans Werk machen.
    Er packte seine Papierkacheln, seine Listen und ein kluges Sortiment an repetitiver Musik in seinen Schweinsledernen und trug den Koffer zu seinem Auto und fuhr zu Sydow, der hatte ein großes Wohnzimmer.

78. Gedichte sind richtig wichtig

    Was willst du machen? Frederik von Sydow hatte ihm die Tür geöffnet, er trug ein Handtuch um die Hüften und war tropfnass.
    Stanjic schob sich mitsamt Koffer an ihm vorbei, das Muster legen, sagte er. Im Wohnzimmer rückte er den Tisch und das restliche Mobiliar zur Seite und rollte den Teppich zusammen. Er streifte in der Garderobe die Gummistiefel ab und packte seinen Koffer aus. Er legte die Musik ein, drückte auf die Wiederholungstaste.
    Wieso bei mir, wieso nicht bei dir? Sydow hielt mit der Linken sein Handtuch fest und hatte in der Rechten die Vase vom Wohnzimmertisch, die Stanijc ihm in die Hand gedrückt hatte, und was soll die Musik, willst du mich hypnotisieren?
    Stanjic hatte sich im Schneidersitz auf den Fußboden gesetzt und begann, die Kacheln mit den jeweiligen Ereignissen zu beschriften, hast du gerade gebadet?
    Ja, du hast mich gestört.
    Du störst mich auch, ich muss mich intuitiv versenken, bade doch noch ein bisschen.
    Was ist mit der Musik?
    Das ist Philip Glass, die perfekte Einstimmung.
    Sydow stellte die Vase weg und ging zurück ins Bad, er schlug die Tür hinter sich zu. Er legte sich in die Wanne, ließ immer wieder heißes Wasser nach, aß eine Packung softe Kekse mit Orange und las drei Hefte Asterix , Die Lorbeeren des Cäsar, Bei den Legionären und die Tour de France .
     
    Nachdem Stanjic alle bisherigen Notizen der jeweiligen Kachel zugeführt hatte, begann er, ein schönes Muster zu legen. Er verließ sich dabei ganz auf seine Intuition, denn die Intuition ist gespeist von Tausenden und Abertausenden von Erfahrungen, sie ist nicht gedacht und tut dennoch das Rechte. Mitunter sang er das Glass’sche Thema mit, das sich unendlich wiederholte und variierte, er geriet in den idealen Zustand höchster Konzentration bei einem völligen Neben-sich-Stehen, vergleichbar dem Gefühl, das man hat, abends vor dem Einschlafen, bevor man abgleitet in Träume und noch mäandert in diesem merkwürdigen Zwischenreich, einerseits schon so schläfrig und schwer und andererseits doch auch glasklar und seltsam rein.
    Nach zwei Stunden fing er an, Pfusch zu machen, und beendete für diesen Tag sein Werk. Er stand auf und streckte sich, betrachtete sein Mosaik, er fand, es ließ sich gut an.
    Er ging in Sydows Küche und kochte sich einen Kaffee, er stöberte in den Schränken nach Keksen, hast du Kekse, rief er Richtung Bad.
    Nein!
    Er machte sich ein Butterbrot und setzte sich an den Tisch und fing an, das Buch zu lesen, das da lag, es waren Gedichte, ein Gedichtband.
    Sydow kam aus dem Badezimmer, er trug Jeans und streifte sich gerade einen weinroten Kapuzenpullover über sein Unterhemd.
    Stanjic hielt anklagend den leeren Karton der soften Kekse Geschmack Orange hoch, er musterte ihn, alles neu?
    Ja.
    Wo ist der sonstige Anzugstoff, der tägliche Pullunder.
    Ausquartiert, ich dachte, es ist Zeit für eine neue Ära.
    Du siehst so – modern darin aus, direkt ungewohnt, so schmissig, so keck und frech, richtig knorke. Diese Jeanshosen, die Kapuze, das macht dich um Jahre jünger, ich schwöre, du siehst nicht älter aus als dreißig.
    Sehr witzig.
    Auch ein Käffchen?
    Ja. Knorke sagt heutzutage kein Mensch mehr und du als Österreicher erst recht nicht.
    Alles knorke , das ist meine neue

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