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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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extra in das Haus von seinem Analytiker gezogen? Und wie heißt er überhaupt. Und wie findet der das?
    Wie der das findet? Na, rate mal, knurrte ich. Axel Huhn heißt er.
    Olaf brüllte vor Lachen, kikeriki!, krähte er ausgelassen, kikeriki!
    Huhn!, sagte ich laut, nicht Hahn!
    Er kicherte albern weiter, ich werd nicht mehr, seufzte er dann, bei so was kommt die Literatur einfach nicht hinterher, so was schreibt nur das Leben.
    Sicher, sagte ich unverbindlich. Viel Spaß noch mit der Fahrradkarte.
     
    Stanjic sah nicht ein, warum der analytische Ansatz ihm bei der Lösung des Knäuels, das sein Leben angenommen hatte, nicht dienstbar sein sollte. Er sah nicht ein, wieso nicht ein Detektiv einen Fall lösen sollte wie ein Analytiker eine Phobie, sah er gar nichts ein.
    Stanjic mochte so seine Macken haben, aber in einem lag er richtig: Er spürte, dass sich hier etwas zusammenballte und sich miteinander verflocht, das zu entwirren Not tat, er spürte sehr genau, hier war etwas im Gange und es war wichtig, es aus dem Untergründigen hervorzuholen und zu sortieren.
    Er fand: Die freie Assoziation, integriert in ein aperiodisches Muster und mit Vertrauen auf seine Intuition, die ihm eine schöne und dem Auge gefällige Lösung versprach, schien ihm die Formel, mit der er die Sachlage zu entwirren gedachte.
    Er ließ Sydow beim Tante aussteigen und fuhr zu sich nach Hause. Er wusste, es würde eine mühselige Arbeit, aber er kam nicht darum herum: Er musste die Indizien sortieren, nach den Kacheltypen sortieren und dann beginnen, ein Muster zu legen.
    Zu diesem Behulf malte er sich fürs Erste die fünf Kacheln auf ein Blatt Papier, es sah folgendermaßen aus:

    Er las nach, dass die Kacheln des Ornamentbaukastens folgende Namen trugen: Zehneck, Fünfeck, Sechseck, Rhombus und Fliege.
    Ornamentbaukasten, sagte Stanjic angetan, das war gut. Er würde fürderhin damit arbeiten, es klang nach einer ausgezeichneten Verquickung von Wissenschaft und sauberer Handwerkskunst.
    Sodann fing er an, alle seine Notizen, die er bereits niedergeschrieben hatte, folgendermaßen zu sortieren: Glasers Text würde er unter den grünen Kacheln ablegen – es würde ihn eine Menge Arbeit kosten, die darin enthaltenen Schlüsselstellen auseinanderzudröseln und niederzuschreiben, es ließ sich aber nicht vermeiden.
    Er hatte die Papiere gesichtet, die Sydow beim letzten Besuch derart elegant hatte in seinen Rucksack gleiten lassen. Es war, außer Partituren für weitere Lieder aus dem Umfeld Musik der Erde und ungewöhnlich viele Briefe von der Versicherung, nichts von Interesse dabei.
     
    Haha! Mein Lektor fand das witzig, die Briefe von der Versicherung! Wenn David wüsste, was da dahintersteckt, mein lieber Herr Gesangsverein!
    Ich lachte nicht mit. Diese anvisierte Fahrradkarte lag mir ganz schön im Magen. Was, wenn nun Scharen von Radlern in bunter Funktionskleidung frühmorgens in die Dieffenbachstraße strampelten, um sich bei einem Coffee to go und im Chor kraftvoll krähend Huhns Haus anzusehen? Ich hätte zumindest bei der Hausnummer ein bisschen schwindeln sollen, wenn nicht gar bezüglich der ganzen Straße. Im Stillen verfluchte ich mich, dass ich Olaf immer wieder derart auf den Leim ging, er war ein Halunke.
     
    Die gelben Kacheln waren die Filme, in denen dieser Gabriel mitspielte, er hatte sich alle notiert, von denen Sydow berichtet hatte. Es war unvermeidlich, sich alle, wirklich alle Filme Glasers anzuschauen, auf dass er das Muster schließlich lückenlos auslegen konnte. Er notierte es sich auf einer To-do-Liste : mehr Filme schauen.
    Die lilafarbenen Kacheln standen für die Filme aus der Schaffenszeit, bevor dieser Gabriel auf den Plan trat – auch dort spielte jeweils derselbe junge Mann mit, er war Gagarin auf seinem Flug durchs Weltall; er war der Nackte, ausschließlich bekleidet mit braunen Ledersandalen, der Nachts in eine Bar trat. Dort am Tresen saß eine Frau, man sah sie nur von hinten (Katharina? Er vermutete es stark). Jedenfalls ging er hin, küsste sie wild und ungestüm, nahm die große Glasschale mit Brioches an sich und verschwand, herzhaft in ein Gebäckstück beißend, wieder durch die Tür in die Nacht hinaus.
    Er war der, der, in einem weiteren Film, in derselben Bar an einem Tisch saß und eine Weile schweigend dem spanischen Barkeeper zuhörte, der seine primitiven Lebensweisheiten zum Besten gab, während im Hintergrund eine Gitarrenmusik gezupft wurde und der Sänger dann und wieder

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