Schwätzen und Schlachten
Tagesparole, seither gehts mir fantastisch. Wieso sind keine Kekse da, ich denke, du besuchst extra diesen Kurs, ich denke, ihr backt Weihnachtsplätzchen.
Die sind noch im Übungsstadium, die kann ich niemandem zeigen.
Ich schwöre, ich lache nicht.
Sydow ging ins Schlafzimmer und kam mit einer Blechdose zurück. Er suchte darin ein bisschen herum und reichte Stanjic einen Keks.
Oha, sagte Stanjic, was ist denn das?
Das ist Knecht Ruprecht.
Und die Sorte?
Nussknusperli.
Warum Knusperli?
Weil der Lehrer aus der Schweiz kommt, wir backen Meiländerli und Knusperli und Leckerli. Du hast gesagt, dass du nicht lachst!
Ich lache nicht, Ruprecht schmeckt interessant, krieg ich noch einen.
Nein. Interessant ist, wie auch spannend, ein Wort, das man nie, nie, niemals verwenden sollte, so man etwas kommentieren möchte, weder für meine Kekse noch für sonst was. Meine Kekse sind nicht spannend.
Nein, spannend sind sie nicht.
Willst du mich schon wieder beleidigen.
Nein, Kekse will ich, sie schmecken gut.
Warum sagst du das nicht gleich.
Er stellte Stanjic die Dose hin und setzte sich zu ihm an den Tisch. Es regnete schon wieder, dicke Tropfen klatschten draußen auf den Balkontisch, die Humphrey-Bogart-Gießkanne, um ihre Aufgabe geprellt, schaute zu ihnen herein.
Und? Er nahm Stanjic das frisch geschmierte Butterbrot ab und tunkte es in seinen Milchkaffee, kaute, was sagt der Fliesenleger?
Läuft sich gut an, sagte Stanjic. Er suchte sich ein paar Kekse heraus und betrachtete sie, drehte sie herum, Knecht Ruprecht? Ein Nikolaus? Ein Rentier? Egal, er tauchte sie in seinen Kaffee, aber wir müssen uns die restlichen Filme anschauen, geht nicht anders. Wir müssen alle, wirklich alle gesehen haben. Und wir brauchen den anderen Textteil.
Was ist mit den Papieren? Den Papieren, die ich geistesgegenwärtig und unter Einsatz meines Lebens bei Simon habe mitgehen lassen?
Nichts, Musik der Erde , langweilige Korrespondenzen, auffällig viele Briefe von der Versicherung. Ich habe dir die Liste mit den fünf Kategorien im Wohnzimmer hingelegt, trag einfach alles ein, was dir noch einfällt. Und tapp nicht ins Bild.
Sydow fuhr sich durch die nassen Haare, sortierte sie Zweidrittel zu Eindrittel auf der linken Seite, streifte sie hinters Ohr, ich kann ja zwischendurch ein bisschen weiterpuzzeln.
Stanjic überlegte, er trank einen Schluck Kaffee, warum nicht, sagte er. Wenn dein krudes Es mit meinem, aus meinem genialen Geist gespeisten, Unterbewussten korrespondiert, ergeben sich womöglich spektakuläre neue Formen.
Exakt.
Stanjic stopfte sich den Rest vom aufgeweichten Keks in den Mund und wischte sich die Hände an den Hosen ab, du liest Gedichte? Er hielt den Gedichtband hoch.
Man muss wissen, was der Feind so denkt.
Ist der Dichter immer der Feind?
Immer. Der Dichter versucht alles, was wir im großen Stil betreiben, zu verdichten. Weitschweifige Erklärungen, umsichtige Erörterungen, langwierige Reden, kurzum, unser ganzes Lebenskonstrukt ist gefährdet, wenn der Dichter gewinnt. Der Dichter geht spürsam durch die Welt, alles ist Stimmung. Ein kleines Zweiglein, ein Vogel sitzt auf einem Zaun, eine Katze streckt sich und der Dichter hat die Idee, nein, nur die zarte Impression einer Frau und wie sie lächelt, er ist total geflasht, das sprengt schier sein emotionales Fassungsvermögen. Er setzt sich in seine Kammer, überlegt reiflich und schreibt dann ein klitzekleines Wort in seinen Gedichtband. Dann ruht er sich aus, Dichten ist schwer. Am nächsten Tag schreibt er vielleicht ein weiteres Wort, vielleicht aber auch nicht, es ist noch zu früh, er spürt, wenn es da ist. Er überarbeitet die beiden Worte, er lauscht in den Äther, horcht in den Wind, will ihm irgendein Molekül noch was sagen? Er schreibt es nieder. So geht es tagein, tagaus, der Sommer geht, schon kommt der Herbst, das Zweiglein stirbt, der Vogel fällt, die Katze hat gegähnt. Dann ist das Büchlein voll, sieben Gedichte sind es, vermutlich ein Zyklus, Dichter arbeiten gerne zyklisch, und alle sind sie wichtig. Wenn der Dichter gewinnt, leeren sich die Straßen und alles sitzt zu Haus und meditiert, vertieft sich in die außergewöhnliche Dichte in des Dichters Werk, sieht die maximale Welthaltigkeit auf einer kaum genutzten Seite und du und ich, wir können einpacken.
Wieso denn?
Weil es verdächtig wirkt, dass jemand hundert Worte verbraucht, wo ein anderer die Nachtigall noch nicht mal trapsen hört und leise auf die Seiten
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