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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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berufliche Vorbilder und männliche Identität für Stanjic die falschen.
    Vielleicht, meinte er, liegt es an der chemisch bedenklichen Mischung. Den Bananen als Neurotransmittern und dazu der Liter Wein, die – er hielt kurz inne – Phenole im Wein, sagte er dann langsam und deutlich, und die Polyphenole.
    Frederik von Sydow hatte die Zeitung auf seinem Schoß ausgebreitet, er hörte nur mit halbem Ohr hin. Mitunter hob er den Kopf und sagte: Schon mal was von Vorfahrtstraßen gehört? Oder: Die blinken dich nicht an, um dich zu begrüßen, du sollst das Licht anschalten, Idiot.
    Im Ressort der Deutsch-Französischen Freundschaft , sagte David ungerührt, er schaltete das Licht ein und erhöhte das Scheibenwischertempo, es goss wie aus Eimern, habe ich, fuhr er fort, einmal einen schönen Artikel gelesen im Zusammenhang mit den Phenolen und den Polyphenolen, es ging um das sogenannte Französische Paradox .
    Ach so, sagte Sydow, er blätterte die Zeitung um.
    Ein deutscher Önologe, sagte David, während er sein Telefon hervorkramte und die Auskunft anrief, er brauchte jetzt dringend seinen Kumpel Gynt, dem es irgendwann noch viel dreckiger gehen würde als ihm selbst, ein deutscher Önologe, sagte er lauter über die ersten Takte der Musik hinweg, erklärte in einem halbseitigen Bericht einer interessierten Leserschaft, dass die Franzosen, obwohl sie alle Säufer sind, länger leben als die Deutschen. Wegen der Phenole und Polyphenole im Rotwein.
    Es war einer der Beiträge gewesen, die Handkehrum die sofortige Aufkündigung der Freundschaft von Seiten der Franzosen nach sich zogen, sowie eine wunderbare Versöhnung inklusive einem önologischem Geschenk, bestehend aus vierzig Flaschen besten Deutschen Moselweins an den französischen Kanzler, zum Erhalt der französischen Gesundheit.
    Stanjic verstummte, er hatte das dringende Verlangen nach einem Rollmops. Er fühlte sich eindeutig neben den Schuhen, er fühlte sich vorangehen und sich selbst hinterherhasten.
    Gestern Abend, sagte er, als ich bei Simon aus dem Fenster in die verlassenen Straßen schaute, erinnerte mich das enorm an Zürich, der Gang durch die verlassene Stadt. Alle weg, kein Mensch zu sehen, vermutlich von Außerirdischen entführt, von spitzohrigen Mutanten verschleppt, dass man in der allgemeinen Aufregung auf mich vergessen hatte, war typisch.
    Ich schaute auf die andere Straßenseite und dann hatte ich plötzlich ein grammatisches Problem. Es erinnerte mich ungern. Nein. Ich erinnerte mich ungern – hm.
     
    Hat er, fragte mich mein Lektor an dieser Stelle, hat er sein eigentliches Anliegen, die ursprüngliche Motivation, bei Simon in der Wohnung zu schnüffeln, etwa vergessen?
    Ja, sagte ich, ich fürchte ja. Er hatte das gerade vergessen, das Einzige, was ihn in dem Moment kümmerte, war:
    Wie sagte man das nun halbwegs elegant? Das erinnerte ihn an eine ungerne Erinnerung? Das erinnerte ihn daran, dass er ungern erinnerte, wie? Das erinnerte ihn, wie er ungern erinnern musste? Solcher und ähnlicher Blödsinn reichte völlig aus, dass ihm ein Tag ungeheuer auf den Keks ging, und heute war schon genug ähnlichen Blödsinns gewesen.
    Kann ich gut verstehen, sagte Olaf, er berichtete mir von ein zwei persönlichen Beispielen mit ähnlichem Blödsinn.
    Ich nickte, solche Tage, sagte ich, gehen einem ungeheuer auf den Keks.
     
    Aber gut, Eleganz hin oder her, da musste er jetzt durch: Das erinnerte ihn an was.
    Ungern nämlich, fuhr Stanjic fort, erinnerte ich mich daran, wie ich im Sommer einmal in den Supermarkt gegangen war, um einzukaufen.

81. Sags mit Träumen

    Er war müde, er hatte in der schwülen Nacht aufreibend geträumt.
    Bitte nicht! rief Sydow entsetzt, bitte bitte keine Träume!
    Doch, sagte Stanjic.
    Er war aufgewacht und hatte Träume vergessen und Kaffee trinken wollen. Aber Träume sind närrisch anhänglich und Kaffee keiner mehr da. Er hatte kein Brot essen können, denn die Brotdose war leer. Er hatte das nicht verstanden, er hatte erst neulich Brot gekauft gehabt, sie war aber trotzdem leer. Er hatte wegen allem Möglichen schlechte Laune, wegen dieser drei Sachen aber ganz sicher.
    Er hatte sich einen Einkaufszettel geschrieben für Milch und Kaffee und Brot und taumelte durch hitzestarre Gassen, über zu helle Plätze, vorbei an Grünanlagen wie zerkochtes Gemüse, Sommer war furchtbar.
    Er schleppte sich in den Supermarkt. Er war der einzige Einkäufer, es war sehr still. Hier war kein Mensch, dabei war es hier

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