Schwätzen und Schlachten
Zürcher Analytiker aus dem Film – der im Blutigen Daumen – tragen denselben Vornamen. Da solltest du dir einen anderen überlegen, das ist sonst verwirrend.
Nein, sagte ich, das ist Absicht.
Wir hatten uns an einen Ecktisch gesetzt, er schaute von der Getränkekarte hoch, Absicht?, fragte er hellhörig geworden, und ohne seinen Blick von mir abzuwenden, holte er sein Notizbuch hervor, wie das?
Der Analytiker-Axel aus dem Blutigen Daumen ist der Axel Huhn aus der Dieffenbachstraße.
Aber, rief Olaf begeistert, wie kann denn das sein?
Ich zuckte die Achseln, ich glaube, er war damals in die Schweiz gezogen, weil er mit einer Schweizer Dozentin liiert war, Verena Kast oder so hieß die. Er hatte eine Praxis am Mythenquai.
Mythenquai, murmelte Olaf, als er die Adresse in sein Büchlein übertrug.
Jedenfalls ist er nach dem traurigen Ende der Schweizer Liaison nach Berlin zurückgekehrt. Manchmal hört er sich noch die gesammelten Mitschnitte ihrer Gustav-Jung-Seminare an.
Und wie kam David zu ihm? Ich meine, das ist doch schier unmöglich, es muss Tausende von Analytikern geben in der Stadt, wieso –
Soll ich dir sagen, wies war? Ich beugte mich über den Tisch und sagte: Er hat die Liste der kassenärztlich gemeldeten Therapeuten gesichtet und fand einen Axel Huhn. Er fand das witzig.
Kann ich gut verstehen! Mein Lektor lachte herzhaft.
Er hat einen Humor wie eine Oma, fügte ich eisig hinzu. Ich lehnte mich wieder zurück, es ist also, kurzum, einer dieser Zufälle, wie sie nur das Leben in petto hat.
Olaf schüttelte hingerissen den Kopf und machte sich eine weitere Notiz, wenn man das, sagte er, erfinden würde, das glaubte einem kein Mensch.
Drum lass ichs lieber, sagte ich.
Stanjic fuhr am Wochenende zur Entspannung mit dem öffentlichen Verkehr. Er hatte das Gefühl, jede getätigte Autofahrt verkürze seine persönliche Lebenszeit um genau den Wert, den er hinter dem Lenkrad klemmte. Es ist die Todesangst einfach höchst ungesund für den Organismus.
Er überlegte, wie weiter, und fuhr kreuz und quer herum, tief unter der Stadt hindurch, die ganzen Maulwurfgänge erkundend. An einem Tag stieg er immer an Plätzen aus, am Adenauerplatz, am Friedrich-Wilhelm-Patz, am Thielplatz und so weiter, der Aufenthalt auf Plätzen sortiert ungemein. An anderen fuhr er hoch oben in Doppeldeckerbussen, weil hoch oben sein beruhigt und beschwingt gleichermaßen. Er fuhr Straßenbahn im Osten und mit der U-Bahn in die hintersten Winkel des Westens und die prompte Erleichterung setzte wie immer just dann ein, wenn er keine Ahnung mehr hatte, wo er war.
Er kaufte sich in einem Untergrundgeschäft ein Bündel Bananen und aß zwei Stück sofort auf. Er hatte einmal bei Glaser auf der Toilette gelesen, Bananen hätten viel Serotonin. Er konnte sich zwar nicht mehr genau erinnern, ob das nun glücklich mache oder aber nur der Volksmund diese Meinung vertrete, ihm war, als hätte auf dem Klopapier etwas von der unüberwindlichen Blut-Hirn-Schranke gestanden, die konnte die Banane nicht durchdringen, aber auf einem vertrackten Weg schaffte es die Banane dann eben doch, er wusste nicht mehr, wie. Aber Bananen, entschied er seine Debatte, Bananen machen glücklich.
Er rief bei der Auskunft an und hörte Grieg, Halle des Bergkönigs , er kriegte davon, klug kombiniert mit den Bananen, sofort allerbeste Laune.
Er setzte sich wieder in eine U-Bahn und fuhr noch ein Stündchen ins Ungewisse, ein junges Pärchen sang spanische Weisen, eine Frau las ein dickes Buch und ein melancholischer Mann mit einem tief in die Stirn gezogenen Hut verkaufte die Obdachlosenzeitung und bat um Spenden oder Essen.
Ob nun directement oder auf dem Umweg Neurotransmitter, Bananen sind auch für einen so schwermütigen Mann sehr wichtig, dachte David bei sich und reichte ihm eine Banane.
Nein!, schrie der Mann gepeinigt, nicht schon wieder Banane! Er raffte seine Zeitungen zusammen und floh bei der nächsten Station aus der Bahn.
Stanjic sah ihm nach und dachte an den erhöhten Serotoninspiegel, vor dem auf dem Klopapier ausdrücklich gewarnt wurde, er führte zu der gefürchteten Unruhe.
Er aß noch eine Banane und lauschte den spanischen Weisen, stieg dann auch aus, aber keinesfalls wegen erhöhten Serotoninspiegels, er hatte alles Spanische noch nie gemocht. Er würde nicht so weit gehen, die Spanier ob des Spanischen irgendwohin zu nageln, auf einen Bartresen zu nageln beispielsweise. Die Spanier sangen in ihren Liedern gerne von
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