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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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hatte er das noch gar nie gesehen! Wie auch immer, er konnte es noch annähernd nachvollziehen, wenn es darum ging, sein Geld auszugeben. Aber wenn es sich darum handelte, welches einzunehmen, war man doch bestens bedient. Wenn ich ein Almosen wünsche, dachte sich Stanjic, nehme ich doch lieber den Euro als die Mark, immerhin ist ein Euro zwei Mark und 14 Schilling und 140 Lire und 1000 Escudos, also eine ganze Menge. Was solls, er ging ins Untergrundgeschäft und kaufte sich einen Wein. Für den Mut, wie er sich sagte, aber er wurde, trinkend und Bananen essend, sekündlich rührseliger und grässlich weinerlich, er sollte die Finger vom Alkohol lassen. Oder von den Bananen.
    Er verräumte sich wieder in die komplizierten Tiefen des innerstädtischen Systems, er trank wacker seinen Wein aus und fuhr zum Alexanderplatz. Dorthin fand er immer und von da aus in die Nähe vom Wald und dem ganzen anderen Programm und schaute hoch zu Glasers Fenster, es war dunkel.
    Hier war nicht weiter zu fackeln. Er schloss die Tür auf und fragte sich nicht, ob es Schicksal war oder Zufall, dass er Simon nie seinen Schlüssel zurückgegeben hatte, es war auch ganz einerlei. Er trat in die stille Wohnung und schaute sich um.

80. Drogen sind auch keine Lösung

    Unsere Praktikantin, sagte Olaf, hat hier etwas Wichtiges angesprochen.
    Praktikantin?, rief ich entsetzt, du willst jetzt, auf Seite 305, noch eine Praktikantin einführen? Hast du sie noch alle?
    Sie hat gesagt, fuhr Olaf unerschütterlich fort, dass sie spätestens an dieser Stelle in ihrer Krimierwartung erschlappt ist, sie meint, es wäre vielleicht sinnvoll, den lieben Leser behutsam davon in Kenntins zu setzen, dass dieses Buch kein klassischer Krimi ist, dass hier nicht am Anfang ein Mord steht und am Schluss die Auflösung und dazwischen lauter logische Entschlüsselungsmomente.
    Ich legte mir für einen Moment beruhigend die Hand über die Augen. Erstens sagte ich dann, kommt mir eine Praktikantin jetzt nicht mehr ins Buch, die hättest du zielgerichtet von Anfang an aufbauen müssen.
    Meinetwegen, erwiderte mein Lektor, lauter als nötig, ich bin erschlappt! Ich! In der Erwartung einer sinnvollen kriminalistischen Handlung! Ich denke immer, jetzt passiert gleich was Schlimmes und dann ist wieder nichts!
    Das ist das Gemeine an der Lokomotion, sagte ich verständnisvoll, wenn ein Plumplori dich angreift, fühlt es sich in etwa genauso an. Im Übrigen, fuhr ich unbeeindruckt fort, hat jeder liebe Leser ja wohl bis hierher verstanden, dass ein Mord erst bevorsteht und, im Kontrast zu einem handelsüblichen Drama, verhindert werden soll.
    Olaf schwieg. Und was, bitte schön, sage ich jetzt der Praktikantin?
    In diesem Buch gibt es keine Praktikantin.
     
    Die Nacht fiel ein wie eine Kopfnuss, ein Schlag aufs Gehirn, wieder ein paar Zellen weniger, murmelte er, ihm war so nach Murmeln.
    Meine Gehirnzellen verpufften wie zertretene Stinkboviste, ich hatte kurzum, erklärte er Sydow, als sie am nächsten Tag in Sandwichdingen durch die Stadt brausten, viel zu viel Wein getrunken.
    Vielleicht lag es an den Bananen, wandte Sydow ein – sie kannten doch ihr Klopapier!
    Eine gemeine Nebenwirkung erhöhter Serotoninaufnahme, diagnostizierte er, eine Nebenwirkung wie die gefürchtete Unruhe.
    Schön wärs, meinte Stanjic. Er war sichtlich angeschlagen, regelrecht demoliert, sein Kater konnte nur mehr maunzen, so schlimm fühlte er sich. Schön wärs, wiederholte er, ich aber hatte einfach zu viel Wein getrunken.
    Konnte sein, er hatte sich der vielen falschen Bücher erinnert und der darin konsumierten Starkgetränke. Faszinierenderweise schienen sie die darin operierenden Helden nicht im Geringsten bei ihrer Arbeit zu behindern, ganz im Gegenteil. Gemessen an den ungeheuren Mengen, die sie sich in schöner Regelmäßigkeit hinter die Binde kippten, gab es praktisch keinen einzigen Fall, und sei er auch noch so ausgefeimt, der nicht in volltrunkenem Zustand gelöst wurde.
    Zum Beispiel, nuschelte er – es waren Namen, die er, auch nüchtern, nur genuschelt über die Lippen brachte – zum Beispiel Dashiel Hammett. Raymond Chandler. Es waren Namen, die auszusprechen großen Spaß bereiten, vor allem betrunken. Dschiel Hämmit, nuschelte er mit diebischer Freude. Dschändl.
    Sydow fand Stanjics Humor generell fragwürdig. Was der Alkohol damit machte, fand er verheerend.
    Hammett und Chandler jedenfalls hatten ganz sicher keine schlechten Bücher geschrieben, aber in puncto

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