Schwätzen und Schlachten

versammelter Einwohnerschaft versuche, mein Auto vor dem Lebensmittelladen einzuparken, einen Blechschaden verursache und mich dann von jemandem wie Herrn Dr. Schicketanz heraushauen lasse.
    Machs doch wie der Pfarrer von meiner Oma, sag einfach immer, wenn du wo was zusammengefahren hast, das war schon vorher so. Mir hängen noch die Glassplitter des Schaufensters von Frisuren Sabrina im Haar? Das ist bei mir immer so. Jemand hat den Opa da umgefahren? Der sah schon früher so aus. Aus meinem Heck lugt ein Gebüsch? Das gehört so. An meiner Frontscheibe –
    Jaja, sagte Stanjic. Auf jeden Fall fahr ich dort nicht zum Einkaufen. Wir kaufen hier ein. Ich denke, du hast eine Liste geschrieben?
    Ja. Hier.
    Stanjic betrachtete die Liste. Okay. Von der Warte aus ist es eigentlich toll, dass du Bananen, Nüsse und Schokolade enträtseln konntest. Wie bist du überhaupt durch die Schule gekommen, tägliche Blumengebinde für die Lehrerin? Den Jägeronkel auf jedem Elternabend, das Gewehr gut sichtbar neben sich? Flossen Gelder?
    Mein Deutschlehrer pflegte zu sagen: Herr von Sydow, Sie haben zwar eine Sauklaue und Ihre Aufsätze sind absolut unleserlich, ich gebe Ihnen aber trotzdem die Bestnote.
    Warum? Warum in aller Welt?
    Ihr messerscharfer Verstand, hat er gesagt, Ihre offenkundige Brillanz und unbestechliche Klugheit lassen mir gar keine Wahl. Hat er gesagt. Mein Deutschlehrer.
    Und worauf bitte soll er so eine hanebüchene Aussage gründen, wo er, ob der vollständigen Unleserlichkeit deiner Schrift, nie was von dir gelesen hat? Intuition?
    Exakt. Intuition, Menschenkenntnis und die untrügliche Gewissheit, die sich sofort einstellt, so man es mit einem Genie zu tun hat. Spürt man einfach. Ist ganz selten.
    Stanjic betrachtete noch ein bisschen den Zettel, stimmt, sagte er. Du hast aus diesem – lass es uns ein Muster nennen, aus diesem Geflecht – Bananen, Schokolade und Nüsse herausgelesen, das geht absolut nur mit einem messerscharfen Verstand, offenkundiger Brillanz und mit einer gehörigen Portion unbestechlicher Klugheit. Ein Genie. Ich bin froh, stolz und dankbar, eine solch seltene Spezies zum Freund zu haben. Danke, Frederik.
    Ach was, Sydow tätschelte Stanjic gönnerhaft die Schulter, lass uns nicht weiter davon sprechen, für mich ist das ja ganz alltäglich und der Unterschied zu den normalen Menschen fällt mir nur ganz selten auf, ehrlich.
    Gut, Frederik. Ich gehe dann mal und hole einen Einkaufswagen und werde ihn, kraft meiner ausgeprägt hausbackenen Veranlagung, mit allem Nötigen beladen, einverstanden?
    Einverstanden, David, meine mit meiner Genialität einhergehende Ungeschicklichkeit im Umgang mit dem profanen Alltag macht mir manchmal wirklich zu schaffen, weißt du.
    Verstehe ich vollkommen.
    Stanjic ging und holte einen Einkaufswagen, räumte die Schokoladentafeln wieder aus dem Korb und gab Sydow die vielen Nusspakete in die Hand, verräumen, sagte er.
    Er begann, den Wagen mit Milch, Joghurt und Käse zu beladen, mit wertvollen Milchprodukten. Wo waren wir?
    Das Telefon hat geklingelt, sagte Sydow, er ging neben dem Wagen her in Richtung Obst und Gemüse, ab und an räumte er was in den Wagen, Stanjic räumte es wieder heraus. (Wozu Mottenpapier? – Ist gerade im Angebot. – Aber wir brauchen es nicht. – Ich sags nur.)
    Es hat geklingelt, sagte er, du hast abgehoben. Ein fremder Mann war am Apparat. Du bist nervös in Glasers Wohnung herumgegangen. Und wie weiter?
    Wie weiter?, wiederholte Stanjic, nichts weiter, das ist es ja, ich sagte doch: Ich bin vor Nervosität in der Wohnung herumgelaufen. Er reichte Sydow einen Sack Kartoffeln. Klingelt da was bei dir?
    Sydow verstaute die Kartoffeln, nahm Zwiebeln und Knoblauch entgegen, in der Wohnung herumge– er verstummte. Das Telefonkabel. Simons Schnurtelefon.
    Richtig. Ich ging in der Wohnung herum, habe noch überlegt, ob ich die Stimme von irgendwoher kenne, und habe das Telefonkabel aus der Buchse gerissen, fertig telefoniert.
    Und, kennst du die Stimme von irgendwoher?
    Kann sein. Stanjic packte allerlei Obst und Gemüse ein, Birnen und Pflaumen, Kraut und Rüben, einen Salatkopf. Kann schon sein. Kann aber auch nicht sein. Ich war einfach zu nervös. Aber ich glaube, du kennst sie.
    Wieso das.
    Du kennst einfach mehr Leute als ich.
    Und jetzt? Sollen wir mit Simon reden? Mit Katharina?
    Stanjic rollte den Wagen zum Müsliregal, Müsli?, fragte er, er hielt eine Packung Früchtemüsli hoch, oder lieber nur