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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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sich bringen. Der Katerdrink tut in Bälde seine Wirkung, dann fahren wir einkaufen.
     
    Stanjic hatte gestern Abend in Glasers Wohnung irgendwann die Lichter hinter sich gelöscht und legte sich im Wohnzimmer aufs Sofa, setzte sich diesen dicken Ausbund an Heiterkeit auf die Brust, ich bin nicht dick, sagte der, ich hab nur schwere Knochen.
    Was?
    Vergiss es. Der Buddha schwieg wieder, er sprach nur alle paar Tausend Jahre mal was, dann aber immer was ungeheuer Wichtiges.
    Dieses Sofa, Stanjic wippte ein wenig nach, die Federn hingen mächtig durch, das Möbel würde innert Kürze den Rachen zuklappen und ihn verschlingen.
    Er dachte an die kleine Biene Willi in der fleischfressenden Pflanze. Maja, rief er, Willi hatte immer so eine nasale Stimme, eine chronische Vereiterung der Nebenhöhlen vermutlich. Psychosomatisch natürlich leicht zu durchschauen. Willi hatte einfach die Nase voll davon, hier immer den Komparsen zu mimen. Wenn Willi ging, sich in dem melancholischen Teiche zu spiegeln, so war es keine kleine dicke Biene, die sich trunken unter immermüden schweren Lidern auf zerknitterten Wellen begegnete, nein, was er sah, war ein Speedy Gonzalez der Lüfte, ein tatendurstiger Batman in gefährlich schwarz-gelbem Trikot, der ihm wüst entgegengrinste, die Arme spannte, dass die Muskeln nur so wurlten, was Willi da in der tosenden Gischt erahnte, war ein Held des Mikrokosmos, harrend nur der rechten Gelegenheit, die Insektenwelt vor jeglichem Unbill zu bewahren, die dumme Maja vor allerlei Kalamitäten zu erretten. Maja war ja so blöd, fiel in jedes Loch, verhedderte sich in jedem Spinnennetz, segelte kurzsichtig in kontaktfreudig geöffnete Schnäbel hungriger Vögel, Maja bedurfte ganz offensichtlich dringend der Hilfe.
    Willi hätte auch gerne eine eigene Sendung gehabt. Willi hätte gerne im Fernsehgerät für mitfiebernde Zuschauer mutige Abenteuer bestanden, Willi wäre gerne das Gute gewesen, das schlussendlich immer obsiegt, Willi hatte es ganz einfach satt, hier die Lachnummer zu machen.
    Diese ständige Vereiterung der Nebenhöhlen. Maja, wo bit du, rief er hilflos. Immer, wenn Willi sich mal wo zu Wort meldete, in der Regel aufgeregt blökend aus einem tiefen Loch, einem komplizierten Spinnennetz, einem sich hämisch schließenden Vogelschlund, klang es hoffnungslos infantil und chronisch nasal, wo bit du, Maja, Hülfe, rief er angstvoll, während der Sonnentau sich anschickte, einen kleinen Williimbiss einzunehmen, einen speckigen Willisnack.
    Willi, murmelte David Stanjic, Williwilli, du arme Socke. Er sank tief in die Chintzbezüge, Chintzbezüge? Woher in aller Welt sollte er das wissen, kannte er sich vielleicht aus mit Stoffen?
    Chintz, das war mehr so eine verirrte Löwenzahnspore, er sank tief in die byzantinischen – ach was, zerschlissenen Polster, schloss die Augen. Chintz, dachte er, ein Wort wie eine ungeheure Abstraktion, eine blaue Träumerei, ein Wort wie Ruth, ein Name, als wärs eine weitere Zahl, Chintz und Ruth und Byzanz, weitere und bislang unentdeckte Zahlen.
    Byzanz, dachte er. Das wars, vorher im Bad. Der Geruch, der Hauch, der Streif am Wiesenrain. Woher kam dort in Wald und Flur das raffinierte Parfum, ein orientalischer Einfall?
    Ein Geruch, es war nur ein Takt gewesen, das Verklingen eines Akkords, weil einer das Pedal noch niederdrückt. Vorher im Bad, das war ein Erinnern, unvermutet und unverhofft wie eine geschäftige Frau, die die Brille abnimmt, und hingerissen blickt man in diese wundervollen, toffeebraunen Augen und von einem Moment auf den anderen sitzt man ihr nicht mehr gegenüber am anderen Ende des Tisches, sondern ganz nah an ihrer Seite und nähert sich Slow Motion und zugleich mit rasender Geschw– vorbei, sie setzt die Brille wieder auf und alles wird nüchtern, business , sagt sie geschäftig, business business , dies ist nur ein Geschäftsessen, zwischen ihnen liegen die Geschäfte, das Essen, ein Tisch und die ganze Welt. Es war einfach nur eine Idee, die ihn anflog, das rasche Aufleuchten eines vergessenen Stollens und die Taschenlampe wurde ausgeschaltet und er wusste nicht mehr, wo er war, tastete im Dunkeln, gefangen in einer Synapse, er lag im Moos und schlief, ein Bovist unter anderen Bovisten, erwachte vom Zittern und Beben der Erde, eine Hallen und Dröhnen und eine Horde morgenländischer Reiter stob vorbei. Sie hatten es eilig, dass die Farben verwischten, und nur ein Flirren blieb auf der Waldlichtung, aber einer hatte sein Pferd

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