Schwätzen und Schlachten
gezügelt, dass es sich aufbäumte und auf den Hinterbeinen tänzelte, wieherte, er hatte sich umgedreht und zwischen den Tüchern und Schleiern und unter dem Turban ein schmaler Schlitz und die Augen hatten ihn angeschaut und sehr genau, einen raschen Moment, dann donnerte sein Pferd mit den Vorderhufen nieder und er gab ihm die Sporen, ritt hinter den anderen her und davon, das Geräusch der Hufe verhallte oder es war ein Schlussakkord, bis einer den Fuß vom Pedal nahm.
In dem Moment hatte er es begriffen. Dass Katharina hier gewesen war, in Simons Wohnung. In seinem Bad, in seinem Bett? In dem verwurstelten Bett. Aber noch etwas anderes –
Ah, schon schlitterte es wieder davon und er rodelte mit gnadenloser Verspätung hinterdrein und flog, immer kopfüber, in schmutzig graue Schneehaufen. Er war leider schon immer ein schrecklich schlechter Rodler gewesen. Während andere jauchzend und mit Affentempo und wehenden Bommeln hangabwärts rasten, tief unten im Tal schon längst Kakao mit Rum schlürften, ging er in Schneeverwehungen verschütt, stritt er sich mit der Rodel darüber, wer führt (in seinem Fall: immer die Rodel), und wehte bei ihm nicht der Bommel einer Strickmütze, sondern er eher insgesamt hinterdrein, na ja, so viel zum Rodeln.
Vergessen wir das lieber, murmelte er, jedenfalls, der Hinweis, der Fingerzeig, der Anhaltspunkt: Was auch immer es war, schon war es im Tal und er noch immer irgendwo am Hang, die Rodel war ohne ihn weitergefahren und er steckte mit dem Kopf wie ein Einser im Schnee.
Dieses zähe Warten auf Tauwetter, dass ein Frühling kam.
Was auch immer es gewesen war, was durch seine Gehirnwindungen gekrochen war, wie ein Spuk durch seine interne Walnuss gegeistert, es wäre ein Stein gewesen im Mosaik. Ein Stein, der das Chaos zu drehen vermag, und plötzlich sieht man die Harmonie und das herrliche Muster.
Weil aperiodisch, lassen wir uns nicht täuschen, sagte er leutselig zu Sydow, aperiodisch heißt keineswegs unsymmetrisch.
Aber dieser kleine Stein rutschte schon zwischen die Kissen und in Sofaritzen, da passte er im Leben nicht durch. Diese verchintzten zerschlissenen Polster, rubinblutrot, ruthrot und chintzblau, die byzantinischen Muster, Byzanz, das osmanische Reich, das Aufbäumen von Pferden in kalifischen Ställen und: Zaumzeug, er dachte: Zaumzeug, ein hinreißendes Wort, Zaumzeug, zärtlich wie feuchte Nüstern, die schnaubend und warm nach Zucker und Äpfeln forschen, Zaumzeug und Byzanz und Okzident, schattenweiße Haremsdamen, die um die Ecke bogen und verschwanden, ein Kästchen mit geheimen Geheimnissen unterm milchigen Arm, und er hätte einen Blick hineinwerfen müssen, das wusste er. Er hätte den Damen hinterdreineilen müssen und ihnen Schatulle und Geheimnisse entwenden, aber Türken belagerten sein Gehirn, rauchten starken Tabak und tranken Kaffee, palaverten ohne Ende, redeten über Gott und die Welt.
Irgendwo in den Tiefen des Diwans begann es zu rumoren, da knurrte heiser ein kleiner Hunger, gurgelte eine geheime Verdauung mit zu wenig Aufträgen. Der kleine Mann im Rechner war eitel, arrogant und dumm, hatte sich den Mund zugesperrt und den Schlüssel auf einem Asteroiden versteckt, in ein schwarzes Loch geworfen. Der dicke Herr auf seiner Brust grinste viel und sagte wenig. Voraussichtlich erst in ein paar Tausend Jahren wieder.
Bis dahin war hinlänglich viel Zeit, detailliert über den letzten Aphorismus nachzudenken, er schlackerte gemütlich mit den Ohren und verbarg den Sinn des Lebens zwischen mächtigen Bauchfalten. Stanjic schaute in das Licht der Stehlampe über sich, reckte den Arm, zupfte am Zugschalter.
Alles versoff augenblicklich in einer summenden Dunkelheit, ein Raunen und Wispern von Kühlschrank und Gebälk, ein Seufzen der Dielen. Alles soff ab in schwarze Gestade, wurde verschluckt von gemächlichen Schattenmäulern, hungrigen Blumen mit Appetit auf Fleisch und Schinkenspeck, lecker Schenkel von blassen Haremsdamen, schlossen sich langsam, Sonnentau und Schenkel, alles schloss sich langsam und verfiel in Schweigen, er fasste den Buddha fest um den Bauch, zwischen seinen Falten hatte das Universum Platz, eine weitere Dimension, ungeheuer viel Raum. Es ist viel Raum in den Hautfalten des Buddhas , wer hatte das bloß gesagt, Rilke? Rabelais? Rasputin? Irgendeiner mit R, ders wirklich begriffen hatte, der dem Dicken tüchtig in den Schinken gefasst hatte, sein Ohr mutig an den großen Bauch gebettet und gelauscht hatte auf
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