Schwätzen und Schlachten
vielleicht drinnen weiterplaudern? Es nachtet schon ein.
Tatsache, es nachtete schon ein, es wurde zappenduster, kein Stern, kein Mond, hier wurden keine Ressourcen verschleudert, das war ein armer Landstrich, kein romantischer Schnickschnack und auch kein zivilisiertes Licht. Stanjic setzte sich noch einmal ins Auto und schaltete die Scheinwerfer ein, der Hof mit seinem Kopfsteinpflaster lag vor ihnen und rundum sie her war das Land und eine erdige Kälte und Sydow ging vor und sperrte die große Haustür auf. Er tastete nach dem Schalter, in der Diele gingen die Lampen an, der linke Scheinwerfer des Autos gab den Geist auf. Es war ein Auto, das sich einfach still und leise aus dem Staub machte, und da waren sie nun.
88. Wir müssen über Goethe reden
Da waren sie nun. Erinnern Sie sich? Hier, auf dem Land, in dem Sydow’schen Gutshaus werden schließlich alle Fäden zusammenkommen, hier wird das Schicksal zuschlagen und einer wird umgebracht werden und wir können es nicht verhindern. Und doch: Alles kommt anders als geplant.
Ist es schon so weit? Nicht ganz. Jetzt ist es später Herbst und ein paar Schlenker sind noch nötig, ein paar Hebel müssen noch einrasten. Aber es ist ein Wendepunkt erreicht. Sie werden feststellen, dass David Stanjic sich vermehrt nach innen kehrt, das ist unumgänglich, Dr. Huhn hat ihm das bestätigt. Bei ihm baut sich gerade einiges um und dabei ist er selbst sich der beste Gesprächspartner (nebst Dr. Huhn natürlich). Seine Fantasie, in den letzten Jahren eine traurige Brache, kommt wieder in die Gänge – und wenn sie dabei ein paar Kapriolen schlägt, lassen Sie uns großzügig darüber hinwegsehen, es ist dringend nötig, sagt Dr. Huhn, dass die Maschine wieder angeworfen wird. Es ist nötig in Liebes- und in Lebensdingen, es ist nötig für den Ausgang dieser Geschehnisse, denn schlussendlich wird es David sein, der die wichtige Wendung herbeiführt, er wird es sein, der entweder überlebt oder aber dabei draufgeht. Und fürs Überleben braucht man die richtigen Skills. Zum jetzigen Zeitpunkt, ich sags wies ist, stünden die Chancen schlecht für ihn.
Stanjic überlegte, ob er hinuntergehen sollte, aber er hatte keine Lust.
Wollte er dabei zuhören, wie Glaser und Katharina Fitzwilliam sich über Kunst unterhielten? Nein. Wollte er sich ihnen auf einen Spaziergang anschließen? Nein. Wollte er dabei sein, wenn Sydow ihr den Pfannkuchen machte und seine Plätzchensammlung zeigte? Nein.
Er wollte im besten Fall weder Sydow noch Glaser allzu häufig antreffen und wiederum Katharina Fitzwilliam im besten Fall immer antreffen, das eine schien das jeweils andere auszuschließen. Traf er Katharina Fitzwilliam, grinste immer irgendwo Frederik von Sydow um die Ecke, wechselte er mal ohne Begleitung ein zwei Worte mit ihr, hast du nicht gesehen, kam zufällig Simon Glaser angeschlendert, und, sagte er gern, worum gehts?
Um nichts, sagte Stanjic und dabei ging es um alles.
Nein, sagte er dann, wenn sie ihn fragten, ob er sich ihnen nicht auf einen Spaziergang anschließen wolle, nein danke, ich hacke noch ein paar Runden Holz.
Er hackte noch ein paar Runden Holz, er hatte schon viel Holz gehackt, er war ein Holzhackspezialist, ohne die Kunstfertigkeit der Spezialisten, er war nach jeder Runde Holzhacken ungeheuer froh, sich nichts zerhackt zu haben, außer dem Holz natürlich.
Nein, er wollte sich keinem Spaziergang anschließen.
Er wollte Glaser von einem Spaziergang ausschließen. Er wollte mit Katharina Fitzwilliam spazieren gehen und sich mit ihr über Kunst unterhalten, seinetwegen, die Kunst war ein weites Feld, der Wald war ein weites Gelände und er hatte einen großen Geist und ein großes Herz, darin hatten die Kunst Platz und Katharina Fitzwilliam und die Natur. Er war ein Tausendsassa.
Bloß würde sie das nie erfahren, sie spazierte mit Glaser, wohnte in seinem Hirn, Herz und bald auch Haus und hieß in Wirklichkeit Filine und war eine Verschreibung von der Versicherung, Glaser würde mit ihr Eheglück und Eheleid teilen und durchs Wohnzimmer walzen, ans zukünftige Säen und Ernten wollte er überhaupt nicht denken – ob Bäume oder Kinder, war total egal, er hätte alles gern mit ihr gesät und krapfenglücklich die Ernte eingeholt – jedenfalls durfte er, David Stanjic, da auf keinen Fall dazwischenfunken, womöglich wurde Glaser sonst als Versicherungsbetrüger entlarvt.
Er lag oben in seinem Zimmer auf dem Bett. Wobei, die Versicherung, seien wir
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