Schwätzen und Schlachten
zum Bad, das praktische Leselicht über dem Bett –
Ich will kein Leselicht, würde Stanjic schreien, und ich will nicht direkt zum Bad, hör auf mit dem Scheiß!
Der praktische Wandschrank, würde Glaser beschwichtigend einwenden –
Und lass, würde Stanjic schreien, lass dieses beschwichtigende Gesäusel, das macht mich rasend! Er würde die Hemden in die Tasche werfen, die Pullover, den grünen, den mit Karo, den Pullover mit Kapuze, er würde in dem braunen Pullover das Messer finden, er würde es anschauen. Simon Glaser würde in seinem Rücken weiterhin besänftigend auf ihn einreden, was von den Bäumen vor seinem eigenen Fenster schwafeln, der beruhigenden Wirkung von Lindgrün, er, Stanjic, würde sagen, gefährlich ruhig jetzt:
Ich will nicht beruhigt werden.
Lindgrün, würde Glaser weiterreden, ist für psychisch labile Persönlichkeiten –
Und er, Stanjic, würde, vor Wut schier aus der Haut fahrend und im puren Affekt, das Messer aus der Scheide ziehen und Glaser damit erstechen.
Stanjic schüttelte erschüttert den Kopf. Er wusste haargenau, diese Mordfantasien speisten sich aus seiner Eifersucht, Dr. Huhn hatte ihn gewarnt. Den Requisiteur, austauschen. Grässliche Folgen von Requisiteuren, die sich weigern, in Rente zu gehen. Sicher konnte man was Unverfängliches für ihn finden. Stühle sortieren im Möbellager, Tapeten malen für irgendwelche Kostümschinken, das konnte doch so schwer nicht sein, diesen armen Mann unterzubringen.
Er schob den braunen Pullover weit nach hinten in den Schrank, schaute hinein. Er sah, dass die Regalbretter zu kurz waren, zu wenig tief, dass sie eine gute Handbreit vor der Schrankwand aufhörten und einen Spalt freiließen. Er schob den Pullover noch ein Stück weiter, bis er in dem Spalt verschwand, stapelte die restlichen Sachen davor. Er schaute auf den Boden des Kleiderschranks. Der Pullover war nicht unten angekommen, hing vermutlich irgendwo zwischen Brettern und der Wand, schön.
Den Karopullover zog er an. Er war ein bisschen zu groß, aber das machte nichts. Der Landadel krempelte gerne tatendurstig die Ärmel hoch. Er öffnete die Schranktür ein wenig weiter, betrachtete sich in dem Spiegel, nicht schlecht, er würde sich den Bart abnehmen. Eine neue Ära begann.
Er ging weiter zu Sydows Zimmer und klopfte.
Frederik Sydow geisterte aber sicher im Haus herum, manchmal hörte man es aus dem Keller rumsen oder im Dachboden gefährlich krachen, er schlug Nägel ins Gebälk, dass der Verputz sich ängstlich an die Wand klammerte und Risse zu Schluchten wurden, er hängte Bilder auf mit röhrenden Hirschen und schlafenden Frauen in Öl und goldenen Rahmen, Porträts längst verblichener Angehöriger seiner Familie, alle unschwer zu erkennen an den viel zu weit auseinanderliegenden petrolblauen Augen und den Haaren wie Unwetter, man begegnete ihm im Treppenhaus, wo er gebückt und schnaufend mit einer Kommode auf dem Rücken eines der diversen Gelasse anstrebte, er kramte in Schränken und Kisten und beförderte Dinge zutage, die ein freundlicher Genosse einmal vor den Blicken der Welt verbarg, man konnte ihn neben dem Schuppen im Garten antreffen, wo er ausrangierte Nachttöpfe und Waschgarnituren aus dem Art déco mit Fleißigen Lieschen bepflanzte, alles in allem nannte er das renovieren.
Renovieren?, wiederholten sie, sie dachten an die Risse, die Krater, die Schlünde an den Decken, das Zimmer, in welchem man durch das Loch im Boden bequem in den darunterliegenden Stock sah, sie dachten an den wunderbar blühenden Schwamm im Keller, die abgestützten Balkone und die schlanken Birken, die aus dem Dach wuchsen, sie dachten die Worte notwendig und Generalsanierung , sie dachten an zwei linke Hände.
Probleme damit?, fragte Sydow, schaute einen an. Er hatte die Kommode auf dem Treppenabsatz abgestellt und die Hände in die Hüften gestemmt, schaute einen an; er stand im Salon und hatte zwei Porzellansubjekte in der Hand, stellte sie abwechselnd auf das Sims des Kamins, drehte sich um, schaute einen an; er stellte einen Nachttopf mit Fleißigen Lieschen auf den Küchentisch; er drehte sich um, schaute einen an, er hängte einen Hirsch an die Wand und altfrauenrosa Putz rieselte in sein Haar; er drehte sich um und schaute einen an und man beeilte sich zu sagen, keine Probleme, absolut nicht, man durfte sich doch wohl noch so die ein oder anderen Gedanken machen.
Frederik? Stanjic klopfte noch ein bisschen. Zwar vermutete er ihn schleifend in
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