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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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gedachte, Neue Deutsche Literatur war das definitiv nicht. Er fand endlich auch den Schal, Sydow hatte ihn um eine fleckige Schneiderpuppe gewickelt, Stanjic murmelte ein Lob der Oma, klemmte sich die Erschöpfte in Öl unter den Arm und eilte von dannen.

89. David Stanjic ist ein wilder Tiger

    Promenierte Katharina Fitzwilliam nun wie befürchtet mit Glaser im Wald, vertieft in diskursives Gespräch, vom Regen keinesfalls abgehalten, vielmehr vereint unter einem Familienschirm für die künftige Familie? Nein.
    Katharina Fitzwilliam saß mitten im Klavierkonzert, es ging gerade hoch her. Es klang nach wilder Jagd, Fanfaren riefen, allgemeines Schmettern, das Orchester war in großem Aufruhr, alle waren so froh und dachten an heiteres Jagen und schnelles Reiten und das Klavier hatte ganz gut zu ackern, rief immer wieder alle zur Räson und ließ sich dann doch hinreißen mitzutun beim allgemeinen Halali. Es war ein gewaltiges Kämpfen, ein Ringen zwischen den verschiedenen Interessen, bleiben wir herinnen, gehen wir hinaus, benehmen wir uns manierlich oder gehen uns die Pferde durch, wir könnten drinnen Karten spielen oder uns gepflegt unterhalten, Drop of Milk, Clotted Cream , sagte das Klavier, jaah, sagte das Orchester halbherzig, jaha! Aber wir könnten auch rausgehen und reiten und schießen und die Hunde von der Leine lassen, es war ein Kabbeln und Necken, ein Hin und Her, ein Schwachwerden und Überreden, ein strahlender Tag, ein glänzender Morgen, alles klang nach Galoppieren und sich in den Steigbügeln aufrichten und schnell sein und sich erhitzen, es waren ein Mann und eine Frau, die verliebt miteinander rangen, sie zog ihn an beiden Händen nach drinnen, redete besänftigend auf ihn ein, er stimmte so halbherzig zu, ließ sich ziehen und locken und war schon fast gewonnen, aber da hörte er ein Horn, da warf er einen Blick zurück und sah das Wetter und unruhige Pferde und er musste, er konnte nicht anders, er musste sie an sich ziehen und küssen und, den Arm um ihre Taille, sie wieder mit nach draußen führen und so ging es immer hin und her, wahnsinnig romantisch, und es war hinreißend, es war betörend und schön, Stanjic hätte absolut verstanden, wenn sie selbst, Katharina Fitzwilliam, in ein Horn getutet hätte, sogar die Geiger tuteten ins Horn, die Flötisten und Triangler, alle tuteten ins Horn, aber sie las unbeeindruckt in einem Buch.
    Er setzte sich ihr gegenüber in einen Sessel. Sie lag hingestreckt auf dem durchhängenden Sofa und trug Stulpen wie Balletttänzerinnen und erinnerte ihn schlagartig und ohne Ausweg an das Bild, das er sich nachher aufhängen würde. Auf dem Bild der Nackten war die Nackte nämlich nicht vollständig, nicht absolut nackt. Sie war nackt bis auf ein paar getupfter zarter Strümpfe. Sie trug keinen Schlafanzug oder ein anders geartetes Nachtgewand, sie bedeckte sich, dachte er, auch nicht mit einem Morgenrock, was eine schöne Möglichkeit gewesen wäre, einen solchen zur Anwendung zu bringen. Vielleicht war die Nackige wie er selbst geschlagen mit einer höchst unvollständigen Garderobe, kein Schlafanzug, kein noch so kleines Spitzenkleid für die Nacht, kein Morgenrock, nada. Er hätte sich, bei aller ästhetischer Empfindsamkeit, in solchem Fall jedenfalls zumindest ein T-Shirt übergezogen, eine alte Trainingshose. Gewiss, stilvoll war das nicht, aber bevor er nackt und nur in Socken vom Schlaf übermannt auf einem Tagesbett von einem Maler überrascht – na ja, war auch egal. Sie, die Schlafende auf dem Bild nämlich, sie zumindest trug jedenfalls nichts Dergleichen, wohl aber die getupften Strümpfe. Pyjama nein, Strümpfe ja. Sie war eingeschlafen, bevor sie sich das eine an und das andere ausziehen hatte können. Sie hatte streng nach hinten gekämmte und hochgesteckte Haare, die Schlafende auf seinem Ölbild war eine ermattete Tänzerin. Sie hatte sich mit letzter Kraft noch aus ihrem Tutu schälen können, die Bänder der Ballettschuhe abwickeln und sich mit dem Handtuch das Gesicht abtrocknen, zu mehr hatte es einfach nicht mehr gereicht. Sie war nach einem Tag eiserner Disziplin zwischen die Kissen gesunken, nackt, aber mit Strümpfen.
    Katharina Fitzwilliam –
     
    Schluss jetzt mit dem Unfug, sagte mein Lektor energisch, ich möchte diesen törichten Namen nicht mehr hören!
    Es ist ein Künstlername.
    Mir egal, fortan heißt sie einfach Katharina, klar?
    Und was ist mit der Frage des Respekts? Was mit der Problematik der Distanzlosigkeit,

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