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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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er, doch!, dachte er, schäl dich aus ich koch dich gar ich küss dich weich, doch!, dachte er, ja!, dachte er, hilf mir beim Kartoffelschälen oder so, hilf mir beim Oder so, hilf mir, gib mir, nimm mir, fahr aus den Kleidern aus der Haut, fahr mit mir in den Süden, gen Italien, er lachte laut auf.
    Katharina hatte sich aufgesetzt, ich komme dir jetzt helfen, sagte sie.
    Nein!, rief er, ich koch jetzt was, Dinner!, rief er, Gurkensandwichs!, rief er.
    Gurkensandwichs?
    Nein!, rief er, ja!, dachte er, er wünschte, sie würde um ihn werben und mit ihm tändeln, wie die Frau und der Mann im Klavierkonzert. Sie hatte eine wunderbar geschnürte Taille und ein hinreißendes Dekolleté und er stünde vor ihr, in Gamaschen und Knickerbocker schon fix fertig eingetütet für die Jagd. Er wünschte, sie würde ihn an beiden Händen nehmen und ihn zu irgendwas überreden, im Haus zu bleiben, hinter Türen zu küssen oder ins Bett zu gehen, egal, er jedenfalls würde die Jagd sausen lassen, das Orchester Orchester sein lassen und sich nicht lange zieren, er würde das Gewehr in die Ecke pfeffern, das Wams abwamsen, die Gamaschen wegstrampeln, er würde sie um die graziöse Taille fassen, unter die tausend Röcke greifen und sie hochheben und mühelos! Mühelos in die – tja, wohin auf die Schnelle? Hinauf ins Schlafzimmer?
    Er würde nicht mehr wissen, wo es war. Er würde sich heillos verirren, diese schrecklich vielen Räume in englischen Herrenhäusern, eine Tür sah aus wie die andere. Er müsste in jedes einzelne Zimmer hineinschauen, um sich zu vergewissern, dass es nicht seines war, so lange konnte er sie unmöglich tragen, es könnte Stunden dauern. Er würde zusammenbrechen, womöglich vor Erschöpfung mitsamt seiner süßen Last die gewundene Treppe hinunterfallen und alles wäre im Eimer. Ein Riesenradau, wegen der tausend Röcke und Kleiderfalten würde es ihnen nicht gelingen, sich zu entheddern, sie würden gnadenlos bis zur allerletzten Stufe hinunterpoltern. Sicher hätte er sich was gebrochen, läge, Arme und Beine weit von sich gestreckt mit geschlossenen Augen, womöglich bewusstlos, in der Halle. Eilfertig herbeistürzendes Personal, wenn er die Augen öffnete, sähe er über sich das bleiche, erschrockene Gesicht der Geliebten. Sicher, man würde ihn dann in sein Bett tragen, die unerquickliche Zimmersuche hätte damit ein Ende, aber was wäre ihm das nütze? Er läge, zumindest mit einer Gehirnerschütterung, wenn nicht gar Schlimmerem, allein in dem schönen großen Bett, eine Ordensschwester mit einer dieser Hauben wie weiße Regenschirme hielte Tag und Nacht betend zu seinen Füßen Wache, seine Liebste löffelte ihm behutsam Tee und Fleischbrühe in den Rachen, so hatte er sich das nicht vorgestellt. Die anderen jagten frischauf durch kühle grüne Wälder und er, anstatt hier im Haus ebenso sportlich der Liebe zu frönen, seine Liebste aus den unzähligen Röcken zu nesteln und in geheimen Kleiderkammern zu vernaschen, lag hilflos in den Kissen, immer in der Angst, irgendjemand käme demnächst mit einem Wickel, einer alten Windel, bestrichen mit Quark oder Schmalz, gefüllt mit gestampften Kartoffeln, irgendwelche subkutanen Verletzungen abzuschwellen, er würde eingewickelt, dabei hatte er auswickeln wollen. Wickel, dachte er düster, wackeln, dachte er sehnsüchtig, er hatte seine Liebste nehmen wollen und ein Bett zum Wackeln bringen, eine Kommode, das ganze Haus. Jetzt lag er da, er hatte einen Wickel um die Stirn und wenn er den Kopf nur ein wenig drehte, wackelte auch alles. Es gibt einfach, dachte er verbittert, wackeln und wackeln. Er lauschte der murmelnden Nonne, dachte einwickeln und auswickeln, dachte anschwellen und abschwellen, alles, in allem natürlich lauter Schwachsinn, was man eben so denkt, wenn man trostlos krank zu Bette liegt.
    Er wollte – er überlegte kurz, ob man einen derart schlechten Witz machen durfte, doch, sagte er sich, in so einer Situation darf man die schlechtesten Witze seines Lebens machen – er hatte anschwellen wollen und nun wurde er abgeschwellt, es war traurig.
    Kurzum, dachte Stanjic letztlich, die oben gelegenen Räumlichkeiten kamen nicht infrage. In den Salon?
    Sicher saß dort eine alte Tante mit Hörrohr und Stickrahmen. Sie war fast taub, lauschte ab und zu staunend in ihr Rohr und verstand trotzdem nur Bahnhof. Aber sie sah alles und jedes. Wenn er sich nur einen Schokoladenkeks zur Unzeit vom Teller klaute, haute sie ihm auf die Pfoten, wenn

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