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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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sein Hemd nicht ordentlich in die Hose gestopft war, zwickte sie ihn in die nackten Lenden, lachte wie ein Pferd, alte Leute waren entsetzlich anstrengend.
    Er würde seine Geliebte in die Küche tragen. Die Köchin und ihre Komparsen waren – im Garten, im Wald beim Pilzesammeln, im Hof beim Tieretöten oder Eiersuchen, nicht da jedenfalls! Es war naturgemäß eine riesige Küche, Gewölbe, blau-weiße Fliesen, die üblichen Kupfertöpfe, alles in allem ein absolut stilvoller Rahmen für ein zärtliches Gemenge. Er würde sie an allem vorbeitragen, er würde sie auf dem Tisch zwischen die Kartoffeln, ihm wurde ganz schwarz vor Augen, er musste, ob er wollte oder nicht, Sachen denken wie: Durchwalken! Unternudeln! Panieren! So Küchenlatein eben, ihm wurde schwarz, ihm wurde heiß, ihm wurde allerhand. Es war sehr anstrengend, die Ruhe zu bewahren, und das bei der allgemeinen musikalischen Aufregung, das Klavier! Das Orchester! Was ein Spektakel! Er musste sich mächtig zusammenreißen, ihm wurde alles heiß und kalt und schwarz und rot, alles in allem eine gefährliche und turbulente Mischung. Andernfalls nämlich würde es ihn auseinanderreißen und die absolute Mehrheit von ihm wollte mit einem gewaltigen Hechtsprung zu und auf Katharina in dem Sofaschiff hüpfen, wollte sie aufknöpfeln und sich auch aufknöpfeln, wollte ihr, kurzum, die Kleider vom Leib rupfen und ihr das Herz herausreißen und verschlingen, weil es war nur ein Muskel und Muskelfleisch, es ist, wie man weiß, das Beste!
    Er ging zur Tür, er hatte alles unter Kontrolle. Gewiss, er würde gerne mit ihr aus den Kleidern fahren, aus der Haut. Als er die Tür hinter sich wieder ins Schloss zog, warf er einen kurzen Blick zurück, sie saß auf dem Sofa, schaute ihm nach, er ging den Flur entlang, klopfte mit den Fingerknöcheln gegen die Wände, ließ den Verputz rieseln.
    Die schiere Vorstellung, Katharina in der Küche zwischen all den Kartoffeln zu schälen und Frederik platzte herein, um sich eine Limonade zu holen oder, dachte Stanjic boshaft, mit einem Küchenmädchen zu techtelmechteln, die schiere Vorstellung, Frederik ertappte sie beide jubelnd inmitten dicker Bohnen und Kerbelkraut, trieb ihm die Schamröte ins Gesicht.
    Wobei, er öffnete die Tür zur Küche, schaltete das Licht ein, wobei er ehrlichkeitshalber hinzufügen musste, dass es ihm auch ohne Sydows Indiskretion die Schamröte ins Gesicht trieb, allein die Vorstellung der enthülsten Katharina zwischen dem ganzen Rosenkohl machte ihn fertig, die nackten Beine in den getupften und getüpfelten Strümpfen und rundherum malerisches Wurzelwerk, Trauben, die er von ihren blanken Brüsten schnabulierte, Honig, den er ihr von den Schenkeln schleckte, er hatte rote und schwarze Impressionen, musste sich mit dem Rücken gegen die geschlossene Tür lehnen.
    Er dachte an die Stillleben in Glasers Buch, er fand das beruhigend. Er dachte an viel Obst und Gemüse, Sellerie zum Beispiel, ein Blumenkohl, er dachte an Trauben und Quitten, er fand das äußerst beruhigend, dann dachte er an nackte weiße Schenkel zwischen Trauben und Quitten, er fand das äußerst beunruhigend.
    Stanjic suchte Kartoffeln und Zwiebeln, schüttete alles auf den Tisch, er ging in der riesigen Küche umher und machte Schränke auf und zu, sammelte Töpfe, Messer und Schneidebretter zusammen. Er wollte an Kürbisse denken und konnte nicht, er wollte Pasteten denken und Suppenterrinen, holländische Schimmelkäse und köstliche, saftige Bauernbrote und alles, was er dachte und was er sah, war haarscharf und glasklar, als bräuchte er nur zuzulangen: Schenkel, dachte er beispielsweise, köstliche Schenkel, er dachte: ein nackter, milchiger Rücken, sicher, er dachte so Sachen wie saftig, aber weniger rustikale Brote, viel eher: Pobacken, Stanjic heulte auf und haute das Schneidbrett ein paar Mal auf den Tisch, bis es in Stücke brach, Pobacken, es war ein Skandal, das Wort an sich regte ihn schon auf und die Vorstellung erst machte ihn vollends fertig. Schon Backen war ein Wort zum schieren Hineingreifen und dass man zukneifen muss und hineinbeißen, Pobacken war noch viel schlimmer, man musste zufassen, man musste mit beiden Händen kräftig zufassen und umfassen und an sich heranziehen, Backen waren immer gewissermaßen deftig und zum Nicht-zimperlich-Sein, er griff sich eine Kartoffel und begann sie zu schälen, schnitt sich sofort in den Finger, na bravo!, rief er verärgert, er wickelte sich ein Küchentuch um, das

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