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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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zum Haus. Er stellte sich vor, wie er sich, seine Geschlechtsteile mit einem Blattsalat bedeckend, an der schockierten Hausdame an der Wand vorbeidrückte, er musste laut lachen, was in aller Welt sagte man in so einer Situation?
    Er hatte nicht die geringste Ahnung. Keinesfalls konnte man natürlich Dinge sagen wie: habe in der Küche mal nach dem Rechten gesehen.
    Es sollte unbedingt diskret sein. Vielleicht sollte man an dieser Stelle ein einfaches und diskretes Mylady anbringen, in diesem unterkühlt fragenden, seriösen und unverbindlichen Tonfall, als begegne man sich, den Hut lüftend, beim sonntäglichen Spaziergang auf dem Corso, die Hausdame wiederum könnte in ebensolcher Weise erwidern: Master Daivid .
    Das würde ihm gut gefallen. Er fände das eine formvollendete und diskrete Lösung.
    Er wäre dann weniger der, der beim Nachmittagstee die Clotted Cream im Bart hat und es nicht merkt, als vielmehr ein gut rasierter Gentleman, der sich gerade elegant aus einer etwas pikanten Affäre zieht.
    Nackt und nur mit einem Salatkopf bestückt? Warum nicht? Es war das Selbstverständlichste auf der Welt. Er würde sich nachher jedenfalls den Bart abnehmen.
    David?
    Er drehte sich um, sah Glaser aus dem Wald kommen, er hatte einen Schirm und einen Korb dabei. Stanjic wartete, bis er bei ihm war, warst du Pilze sammeln, sagte er, er schaute in den Korb. Viele Pilze, groß und klein.
    Und du? Glaser betrachtete ihn, legte den Kopf schief, ist das mein Pullover?
    Ja, sagte Stanjic, ich – tja.
    Wie sollte er das erklären?
    Ich weiß nicht, sagte er, wie ich das erklären soll.
    Das glaube ich auch, sagte Glaser.
    Sie setzten sich wieder in Bewegung, stapften stumm nebeneinander über die mühsame Wiese. Der Regen klopfte verspielt auf das Dach von Glasers Schirm, es war ein Familienschirm, dachte Stanjic vergrämt, aber, dachte er hämisch, ohne Familie nützt einem der beste Familienschirm nichts.
    Stanjic wischte sich ab und zu mit dem nassen Küchentuch übers Gesicht, die Wiese dauerte ewig, das Schweigen hielt an, der Regen.
    Willst du nicht mit drunterkommen, sagte Simon, er hob den Schirm ein wenig an.
    Nein, sagte David, das ist ein Familienschirm.
    Ja und.
    Ich habe einen schwierigen familiären Hintergrund, solche Objekte bereiten mir Probleme, ich kann einfach nicht unbelastet damit umgehen.
    Lieber klatschnass werden, ja?
    Ja. Leute mit schwierigem familiären Hintergrund werden im Leben eigentlich immer klatschnass.
    Nur weil sie es so wollen.
    Was meinst du damit.
    Du könntest unter meinen Schirm kommen.
    Das stimmte eigentlich.
    Er sah diese konkrete Situation in ihrer ganzen, verblüffenden Bandbreite: Er hatte einen schwierigen familiären Hintergrund und der sorgte für die, zweifellos, schlechte Beleuchtung in seinem Leben. Und er könnte einfach damit aufhören. Er könnte damit aufhören, in diesem Spot zu gehen, in diesem – diffusen Licht. Es war nur ein Schritt und schon – wechselte die Wattzahl und er ging unter Schirmen, hinein in einen sonnigen neuen Tag.
    Ja gern, sagte er, danke, Simon.
    Sie gingen eine Weile unter dem Familienschirm. Es fühlte sich gut an, so familiär, ohne, Stanjic schaute genau, tatsächlich: ohne diesen Stich ins Düstere. Es fühlte sich einfach gut an. Er warf einen Blick nach oben in das Dach des Schirms, es war ein rosensatter, manniglich geblümter Schirm und machte ein schönes Licht.
    Schönes Licht, sagte David.
    Simon schaute auch nach oben, stimmt, sagte er, sehr schön sogar.
    Schön ist es, eine Familie zu haben, oder?, sagte David, er staunte ja selbst, so was hatte er im Leben noch nicht gesagt! Nicht schlecht, Herr Specht!
    Simon schaute ihn prüfend an, dann – Stanjic traute seinen Augen nicht, war es das erste Mal? Musste er einfach seine angestammten Wege verlassen, von seinen vertrampelten Trampelpfaden wegtrampeln und im Nu ist alles anders und ganz neu? Simon schaute ihn prüfend an und lächelte, ja, sagte er, das stimmt.
    Da hatte er kürzlich noch gedacht, es wird nicht gelächelt zwischen Männern und dann so was, da trat er unter den Familienschirm und akzeptierte den Schirm und die Familie und die Welt, sie ward eine andere.
    Sie gingen noch ein bisschen unter dem Familienschirm.
    Und, sagte Glaser irgendwann, er musterte ihn von Kopf bis Fuß, hast du auch Pilze gesammelt?
    Ja.
    Viele gefunden?
    Geht so.
    Glaser wechselte Korb und Schirm von der einen in die andere Hand, er deutete mit dem Kinn auf das Geschirrtuch, darf man

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