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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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derschießen, gegenseitig, das ist auch saudumm. Ich war einmal dabei, da haben sie einen derschossen, saudumm war das, der ist noch in dem Rettungsauto elendiglich verblutet, ein ganz saudummer Schuss in den Oberschenkel, blöd war das.
    Onkel Jodok, sagte Glaser, wo kommst du eigentlich her.
    Aus Österreich!
    Ach so. Glaser nickte, er schob den leeren Teller von sich und schaute sich um, ob es schon Süßigkeiten gab und Tee, einen Früchtetee. Onkel Jodok aus Österreich. Das hätte er sich denken können, das ist wie das Gwind im Ohrwaschl und die hatte gar kein Bett! Die Kuhlöcher, der derschossene Jäger, blöd war das. In Österreich ist so was einfach blöd, saudumm halt.
     
    Sydows Oma klöpfelte an ihr Glas. Sie war aufgestanden und strahlte in die Runde, der Lärm verebbte langsam und alle wandten sich ihr zu, die letzten, hartnäckigen Esser legten Messer und Gabel weg.
    Ich freue mich, sagte sie, wie in jedem Jahr heute wieder alle in so geselliger Runde begrüßen zu dürfen. Seit vielen Jahren ist es nun schon Tradition –
    Frau Sydow redete weiter, sie beschwor die alten Zeiten, blickte zurück auf schwierige Jahre (Stichwort Enteignung, das Kommen und Gehen der Kommunisten, diese ständige Unruhe), sie erinnerte an die Morgenröte nach dieser langen Nacht, an Glasnost und Perestroika – die amerikanischen Sydows nickten wissend, es mussten diese schmackhaften Suppen sein, die wärmenden Eintöpfe – und wie schön es sei, nun schon seit so vielen Jahren wieder sich unterm Tannenbaum vereint zu sehen, sie sprach von dem alten Geschlecht der Sydows und dem Sydow im Herzen, weil das ist das, was wirklich zählt, der Sydow, den wir in unseren Herzen tragen.
    So ist es, murmelte Onkel Jodok gerührt, der Sydow, den wir in unserem Herzen tragen.
    Seine Oma machte in dem Stil weiter, Sydow hörte nur mit halbem Ohr hin, er betrachtete Onkel Jodok, fragte sich so nebenbei, wo seine Oma ihn aufgegabelt haben mochte.
    Als hätte ers gerochen, beugte sich Onkel Jodok zu ihm herüber und sagte leise, eine ganz feine Frau ist das! Ganz eine patente! Eine Cousine zweiten Grades! Wir kennen uns noch von ganz früher, da sind wir zusammen auf die Pirsch!
    Auf die Pirsch, dachte Sydow, er schaute hinüber zu seiner Oma, jaja.
    Sie machte die üblichen Bekanntmachungen. Das Betreten des Zimmers mit Loch sollte tunlichst vermieden werden, sie drehte sich nach links und die Sydowsippe lachte wie ein Mann. Die errötende junge Dame im blauen Rolli –
    Das bin übrigens ich. Sicher haben Sie sich mit Olaf – wo, mein Lektor klöpfelte auf den Papierstapel, wo bist du eigentlich? Irgendwann hier müsstest du doch auftauchen, oder? – sicher haben Sie sich schon gefragt, ob ich mich vor lauter Trubel womöglich vergessen habe, nein, das bin ich. Allerdings muss ich hinzufügen, dass ich eine wirkliche Rand- und Nebenfigur bin, wie gesagt, meine Verwandtschaft zu Auguste von Sydow ist eine recht weitläufige und keiner unserer drei Protagonisten hatte auch nur die geringste Notiz von mir genommen. Simon nicht, weil er sowieso in einer Parallelwelt zu leben scheint, Frederik nicht, weil er in all den Jahren zuvor die Aufenthalte hier auf dem Land in vollendeter Griesgrämigkeit und hinter hoffnungslos veralteten Büchern verbracht hatte und in diesem Jahr seinen Kopf natürlich ganz woanders hatte – und David? Nun ja, David und ich hatten, als wir uns hier über den Weg liefen, einen kurzen und überraschten Gruß gewechselt – in seinem Fall muss ich vielleicht korrekter sagen, einen erschreckten Gruß gewechselt. Die Causa, die uns im Österreichischen vor ein paar Jahren zusammenführte, war, fürchte ich, nicht dazu angetan, dass er darüber erfreut war, hier eine Mitwisserin anzutreffen, jemanden, der ihn an Klara erinnerte, die allgemeine Krise. Wir hatten uns stillschweigend darauf geeinigt, unsere Bekanntschaft miteinander nicht an die große Glocke zu hängen. Unser Verhältnis hat sich später aber beträchtlich entspannt, David war mir sehr behilflich bei der Rekonstruktion der ganzen Angelegenheit.
    Die errötende junge Dame im blauen Rolli jedenfalls war vor drei Jahren beim adoleszenten Versteckspielen durch das Loch gefallen, hatte sich Gott sei Dank kein Haar gekrümmt, im Salon darunter nächtigte Tante Hildegard mitsamt Matratze und Daunengedöns auf dem maroden Billardtisch, ihr eigentliches Zimmer saftete durch, da war das Dach undicht. Sie war nur auf die Tante gefallen, Hildegard hieß sie,

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