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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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Scheinwerfer?
    Hier ist doch kaum Verkehr!
    Was, wenn das Auto weiter Federn lässt. Was, wenn der Auspuff abbricht, die Tür während der Fahrt davonweht?
    Was ist los mit dir, du bist doch sonst nicht so pessimistisch.
    Sydow schwieg, er rührte in seinem Kaffee, verschob die restlichen Brötchen auf dem Backblech, ja, was war los mit ihm? Er war auf einmal so himmeltraurig.
    Tut mir leid, David. Ich bin blöd. Ich back für dich Heidesand. Und Betmännchen.
    Guten Morgen. Katharina Fitzwilliam kam herein, lächelte in die Runde. Sie ging zu Stanjic hinüber und er reichte ihr seine Tasse, sie trank einen Schluck, wollen wir?
    Stanjic reichte ihr den Rest von seinem Brötchen und strich ihr kurz über die Wange, Sydow schaute ihnen aus den Augenwinkeln heraus zu, Stanjic kam aus dem Lächeln gar nicht mehr heraus! Er machte den Reißverschluss seiner Jacke zu, hoffentlich, dachte Sydow wüst, klemmt er sich die Lippe ein.
    Klar, sagte Stanjic.
    Ich bin einfach blöd, dachte Sydow himmeltraurig über seine wüsten Gedanken. Nehmt doch noch ein Brötchen mit, sagte er, er suchte zwei schöne, große Gebäckstücke aus und packte sie in eine Papiertüte, Stanjic ging zu ihm hinüber und steckte die Tüte in seine Manteltasche. Er zögerte einen Moment.
    Weißt du. Ich glaube an das Feng-Shui, sagte er.
    Ich weiß, David.
    Ich glaube an die fünf Tibeter. Ich glaube an Bachblüten.
    Ich weiß, David. Ich mag dich trotzdem, wirklich.
    Und, sagte David, ich glaube an die Astrologie.
    Frederik von Sydow ging zur Spüle und schüttete seinen Kaffee in den Ausguss und stellte die Tasse weg. Er stützte sich mit beiden Händen auf das steinerne Spülbecken, er fühlte sich, als hinge es ihm um den Hals wie ein Mühlstein und zöge ihn in den eigenen Abfluss, ein sehr kompliziertes Gefühl, aber so war es, der Spülstein, um den Hals, saugt einen in den Abfluss. Er schwieg.
    Ernsthaft?, fragte er.
    Ja, sagte Stanjic. Denk an dein Jahreshoroskop. Denk dran, dass das neue Jahr noch nicht begonnen hat, denk dran, dass es 365 Tage hat, denk dran, dass das eine ganze Menge ist und dass an so vielen Tagen so viel passieren kann.
    There’s still hope, fellows? Meinst du das?
    Absolut.
    Alle diese Sachen, an die du glaubst, ja? Die sind nicht logisch.
    Das stimmt.
    Kunst ist auch nicht logisch, oder?
    Ganz sicher nicht. Ganz sicher. Nicht.
    Findest du, wir sollten unsere Haltung gegenüber der Kunst überdenken?
    Ich glaube fast, das sollten wir.
    Findest du, ich sollte meine Haltung gegenüber dem Feng-Shui überdenken?
    Richtig. Ausmisten. Umstellen. Baguas bedenken. Und das Horoskop kann kommen. Deine Frau. Dann hat sie Platz. Im richtigen Bagua.
    Danke, David. Du bist ein echter Freund.
    Das bin ich wirklich. Und wenn du dir den bei Laune halten willst: Vergiss die Spitzbuben nicht.
    Er knuffte ihn in den Oberarm, Männer knuffen sich gerne mal in den Oberarm, sie waren Männer und sie hatten Oberarme, um sich zu knuffen.
    Dann mal los, sagte Stanjic, er legte Katharina Fitzwilliam den Arm um die Schultern und sie zogen von dannen, verfrachteten Frau von Sydow im Auto auf den Beifahrersitz und chauffierten sie mit einem einäugigen Auto freundlich blinzelnd durch den Morgen, der eben zu grauen begann.
    Frederik stand in der Tür und schaute ihnen nach, Katharina Fitzwilliam winkte hinten aus dem Heckfenster und er winkte zurück.
    Heute war Weihnachten.

108. Vielleicht endet Frederik als Gulaschsuppe

    Gegen Mittag war bei der Plätzchen- AG noch Hochbetrieb.
    Tante Mary rollte nach Sydows Anweisungen den Lebkuchenteig über den Küchenboden – in Deutschland macht man das so, informierte er sie – und hernach stachen sie, akkompagniert von einem Rudel begeistert jaulender Kinder, Hunderte dicke Weihnachtsmänner, Socken und Rentiere aus.
    Wieso Socken, fragte ein Kind.
    Mit uns in England, sagte Tante Mary, während sie großzügig die schwarz-weißen Fliesen für eine neue Runde Teig bemehlte, kommt das Vater Weihnacht mit das Rentierschlitten geflogen auf den Dach. Mit Rudolf. Du kennst Rudolf? Die Rentier mit das roten Nasen?
    Mit das roten Nasen?, sagte das Kind, nein.
    Rudolf the red nosed reindeer ? Tante Mary sang Rudolf the red nosed reindeer. Dann sang sie es in einer grässlichen Übersetzung, für die sie sich von Sydow unter anderem einreden ließ, red nosed hieße im Deutschen rotznasig.
    Ich verstehe, dass niemand mit ihm Freund sein wollte, sagte das Kind. Sicher dachte es an zahllose rotznasige Kitakameraden,

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