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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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Formulierung gibt, nämlich: woollies! Auch Tante Hildegard war froh und dankbar, das in ihrem fortgeschrittenen Alter noch erfahren zu dürfen, und vielleicht sind auch wir noch einmal alle dankbar, dieses schöne neue Wort in unseren aktiven Wortschatz zu integrieren – kurzum! Das Netz zog sich immer enger und das Schwein rannte hier um sein Leben, raste wie eine gesengte Sau auf Frederik zu und kriegte einen tüchtigen Schwung Obstler ins Gesicht, heulte oder brüllte oder japste und änderte die Richtung, preschte auf die Unbekannte X zu und David zog sein Messer und dann fiel ein Schuss und Frederik stolperte vor Schreck über seinen langen Schal und David sackte in sich zusammen, weil er sofort dachte, natürlich, natürlich triffts mich, so war es gedacht, jetzt kommt der schwarze Mann und macht Schabefleisch aus dir, Hackepeter oder Faschiertes, weil, seien wir ehrlich, kommt das letztendlich und wenns drauf ankommt noch drauf an? Nein, ihm kam es auf einmal nicht mehr darauf an, er wusste nur, es ist aus, er klappte einfach zusammen und kippte um, seitwärts in eine Schneeverwehung, und dabei hatte ihn nichts auch nur gestreift und angehaucht, und das Schwein hechtete in Riesensätzen aus diesem Getümmel, verschwand im Wald und würde sich hüten, heute noch einmal jemandem vors Visier zu kommen, ja, überhaupt noch diesen Wald mit seiner Anwesenheit zu beehren. Vielmehr würde es auswandern, mit Kind und Kegel auswandern, weiter hinüber in den Osten, wo Pommern noch Pommern war und Leute mit Nervenfieber wohlverwahrt in Irrenanstalten dämmerten und wo kein Menschenkind je seine Kreise störte.
    David fühlte seine Seele schon entfleuchen, er sah sich selbst gen oben streben und mit Petrus die komplizierten Verhandlungen in die Wege leiten, die ihm das Himmelreich sollten eröffnen, er sah sich selbst in einem bequemem Nachthemd und lieblich auf dieser Ukulele das Te Deum anschlagen, er sah sich auf einer Wolke in den Abend schweben und dem Großen höchstpersönlich ganz nah sein und dabei starb gerade einer, der war wie Gott, weil was ist der Mensch, wenn nicht von seinem Ebenbild, und da starb also gerade ein Mensch ganz in echt und wirklich.

125. Warum wir mehr Gedichte schreiben sollten

    Was dann in welcher Reihenfolge geschah? Hörner wurden getutet, Leute rannten an, Treiber und Jäger und Hunde tollten herbei, Katharina und Simon, alles war plötzlich auf der Lichtung, als wäre das hier ein Filmset und alle hätten rundherum schon in den Startlöchern gestanden, um nach dem vollendeten Take alles wieder neu zu arrangieren. Alle aber hasteten an David vorbei und bildeten eine Traube um den ernsthaft Gefallenen und Hingestreckten. David lag und schaute in die Wipfel, dort oben war Ruh, in allen Wipfeln ist immer Ruh, dann beugte sich ein Gesicht über ihn, blass und bleich wie Milch und Schnee und anderer poetischer Zierrat, und David schwor hier und jetzt und in diesem Augenblick, dass er ein Gedicht verfassen würde, nein, einen Zyklus, über das bange Gesicht eines Freundes, es würde triefen von Milch, gezuckerten Kanditen und süß gekochtem Grießmus und allem, was mild ist und gut und macht, dass das Leben weitergeht, alles okay, fragte Frederik heiser, alles okay?
    Ja, David nickte, alles war okay. Er richtete sich auf und sah zwischen den vielen Beinen hindurch Simon am Boden knien, Katharina ihm gegenüber, dazwischen lag der Mann, dazwischen lag der, der war wie Gott, und der war tot und er, David, war sich nicht ganz klar, was hier eigentlich gespielt wurde. Er sah das Messer neben sich im Schnee liegen, griff danach wie geträumt und steckte es wieder ein.

126. Wollen Sie ein Buch über schwierige Beziehungen?

    Simon hatte später dem Polizeibeamten Folgendes zu Protokoll gegeben: Es handele sich bei dem durch einen Schuss zu Tode gekommenen um Michael Kowalski, gebürtig in Polen, wohnhaft in München. Er arbeite als freier Künstler, vornehmlich im Bereich der Installationskunst, und sie hätten zusammen studiert, in Leipzig, und über einige Jahre gemeinsame Projekte realisiert. Dies alles wurde von Katharina bestätigt. Sie gab an, für einige Zeit mit ihm liiert gewesen zu sein –
    Ein Wort, das jetzt immer noch durch Frederiks Kopf geisterte, er wusste, das war absolut unpassend, nichtsdestoweniger sagte man das heutzutage –
    Liiert waren sie also gewesen und Filme hatten sie gemacht und was sonst die Kunst so hergibt, immer zu dritt, Simon, Katharina,

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