Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
Vom Netzwerk:
meine Frau so vermisse, da fängt man automatisch an, das ersehnte Subjekt zu internalisieren, er warf den abgegessenen Stängel weg und schob die Schüssel von sich, Gott, sind die sauer, kauf dir bloß keine Johannisbeeren.
    Sauer macht lustig.
    Noch lustiger? Ich komm doch aus dem Lachen gar nicht mehr heraus.
    So klingst du gar nicht, hast du schlechte Laune?
    Laune kann man das nicht mehr nennen, ich habe ein schlechtes Leben.
    Da fallen, sagte Stanjic, so ein paar mangelnde Himbeeren nicht mehr ins Gewicht.
    Nein, ernsthaft nicht, sagte Sydow, er nahm das kleine Schwein wieder zur Hand und begoss seine Füße. Können wir nicht mal bei der Sache bleiben? Ich glaube, dieses ständige Verzetteln und Vom-Weg-Abkommen, das geht von dir aus, von mir kenne ich so was jedenfalls nicht.
    Machst du Witze?
    Sicher nicht, ich kenne überhaupt keine Witze. Das Schwein war leer, er stand auf und ging zurück in die Küche. Er suchte nach Keksen, aber da waren keine. Ich habe, sagte er in den Hörer, ein schlechtes Leben. Kekse würden es verschönern, aber da sind keine.
    Keine Himbeeren, keine Kekse, resümierte Stanjic, was hast du eigentlich.
    Nichts eben. Saure Johannisbeeren und trocken Brot.
    Sydow hatte die Kanne wieder in die Spüle gestellt, drehte den Wasserhahn auf, du lenkst immer ab, rief er. Ist es das Thema? Die Internalisierung? Fühlst du dich persönlich betroffen? Es würde mich allerdings wundern. Oder bist du eine sensible Natur? Es ist ein ganz typischer Vorgang bei sensiblen Naturen. Ich bin eine sehr sensible Natur, die Internalisierung meiner Frau also kaum zu vermeiden, ich erleide ihre Mulmigkeiten, ich geh zu ihrem Friseur, ich telefoniere ständig mit ihrer Freundin.
    Schrei doch nicht so. Deine Frau hat gar keine Freundin.
    Was? Sydow schaltete das Wasser aus, was?
    Keine Freundin, deine Frau.
    Was?
    Oder geht das nicht? Du sagtest doch vorhin, wegen meiner Rolle, du sagtest doch, ich müsse sagen –
    Was? Simon, was redest du denn da, du machst mich fertig, natürlich hat meine Frau eine Freundin, wieso denn nicht, hat sie Aussatz oder was. Sicher hat meine Frau ganz viele Freundinnen, meine Frau ist sehr nett.
    Du hast gar keine Frau, Frederik.
    Siehst du, es geht doch, Sydow nahm die Kanne aus dem Spülbecken und ging hinaus auf den Balkon. Er ließ sich wieder in den Sessel fallen, legte die Beine auf den Tisch und begoss seine Füße, warum nicht gleich, danke, dass du mich darauf hinweist, danke, dass ihr mich alle immer wieder darauf hinweist! Keine Frau, na toll, denkst du, das ist schön? Denkst du, ich freu mich darüber? Denkst du, ich habe keine Gefühle? Keine Frau, sicher, sags mir immer wieder, das macht mich nur härter, das ist der Glaser, den ich kenne, trampel auf mir herum, trampelt doch alle auf mir herum, ich bin der Trampelpfad, den ihr braucht, um euch gut zu fühlen, so eine getrampelte Abkürzung zum Glück. Fein, schön, danke, Simon, weiter so, Simon.
    Frederik?
    Ja, Simon? Fällt dir noch was ein? Er hatte die Kanne zur Seite gestellt und zupfte Johannisbeeren von den Rispen, warf sie über die Brüstung. Leg ruhig noch eins nach, immer eins druff, Frauen und ich, wir haben Laufmaschen und vereinbaren Kind und Beruf, diese Doppel- und Trippelbelastungen, wir sind das gewohnt, wir können einiges vertragen, wir –
    Frederik.
    Ja, Simon, weißt du, ich verstehe es sogar. Männer wie du brauchen so was für ihre Identität als Mann, dieses gezielte Unterbuttern der Frau, das Gefühl von Überlegenheit. So seid ihr, ihr definiert eure Stärke an der Schwäche der anderen, das stärkt dann euer Mannsein, ihr könnt dann –
    Frederik.
    Ja, Simon, ihr könnt dann, wenn die Frau unter der Last ihres Frauseins zusammenbricht, weinend die erneuten Laufmaschen betrachtet, die schier unüberwindliche Hürde von Beruf und Kind, ihr könnt dann männlich helfend herbeieilen, ihr die Strümpfe ausziehen und sie mit Küssen beschwichtigen, ihr die Strümpfe und alles weitere an weiblichen komplizierten Kleidungsstücken ausziehen und sie mit typisch männlichen Kunstfertigkeiten diese Kalamitäten vergessen lassen, eure maskuline, phallische Art beruhigt Frauen enorm, ihr könnt ihr hernach versichern, dass sie nackt am allerschönsten aussieht, macht auch keine Laufmaschen, und ihr das Kind abnehmen, weil das schafft ihr mit links, für so was braucht man bei Gott kein Multitasking. Wieso muss denn bitte, denkt ihr, alles gleichzeitig passieren, diese typisch weiblichen

Weitere Kostenlose Bücher