Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
bekämen.«
Sie verließen ihn. In der Eingangshalle trat ihnen ein Hotelpage mit einer Nachricht für Adam entgegen.
»Du lieber Gott«, rief Adam verzweifelt aus, als er sie gelesen hatte, »sie proben und wollen wissen, warum ich nicht da bin.« Er sah auf die Uhr. »Ich bin ein bisschen spät dran, aber ich glaube, dass ich das Ende noch mitbekomme … Oh, verdammt.«
»Fragt sich, wo deine Frau steckt.«
»Irgendwo in der Nähe, denke ich. Ich sollte sie benachrichtigen, bevor ich zum Opernhaus hinübergehe.« Adam ging zur Rezeption. »Den Schlüssel von Zimmer 72, bitte.«
»Ich glaube, den hat Mrs. Langley mitgenommen, Sir. Vor ungefähr einer Stunde.«
»Ich vermute, sie ist oben«, sagte Adam, als er wieder bei Fen war.
Sie nahmen den Aufzug und gingen über einen Korridor voll kichernder Zimmermädchen bis zu Nummer 72. Adam klopfte an. Einen Moment lang kam keine Antwort.
»Wie merkwürdig«, sagte er. »Ich fürchte, sie hat den Schlüssel irgendwohin mitgenommen.« Er klopfte nochmals.
Dann regte sich auf der anderen Seite der Tür jemand, und sie hörten, wie Elizabeth leise fragte:
»Wer ist da?«
»Ich bin’s, Liebling. Adam.«
»Ist jemand bei dir?«
»Nur Professor Fen. Bist du noch nicht angezogen, oder was ist los?«
Die Tür wurde aufgeschlossen, und Elizabeth erschien im Türspalt. Sie war bleich und atmete schnell, und sie wirkte sehr jung und hilflos. Sie sagte:
»Oh … Adam …«
Er nahm sie in den Arm. »Meine Liebe, was ist?«
Sie versuchte zu lächeln. »Es ist nur … ich habe solche Angst«, sagte sie, und beide Männer sahen, dass sie den Tränen nahe war. »Denn … jemand hat versucht, mich zu vergiften.«
Kapitel 13
Das Hotelzimmer mit seiner diskret platzierten, gedruckten Hausordnung, seiner ausgeklügelten Apparatur zur Bewegung der Vorhänge und Gardinen und seiner mannigfaltigen Beleuchtung war ebenso gesichtslos wie die meisten Hotelzimmer; und obwohl Adam und Elizabeth lange genug darin gewohnt hatten, um seiner Ausdruckslosigkeit einen gewissen persönlichen Stempel aufzudrücken, blieb es im Grunde auf hartnäckige Weise funktionell. Nachdem er seinen Hut schief an einen Türhaken gehängt hatte, machte Fen es sich in einem Lehnstuhl bequem und bot ihnen eine Zigarette an.
»Nun?«, fragte er.
»Akonit«, sagte Elizabeth knapp. »Im Tee.«
Alle sahen zum Tablett hinüber. Darauf stand eine volle Tasse, mittlerweile fast kalt.
»Woher wissen Sie das?«, fragte Fen.
»So etwas weiß man, wenn man sich mit derlei Dingen beschäftigt. Ich hatte ein wenig davon im Mund, und meine Lippen wurden taub.«
»Sie müssen einen Grund für Ihr Misstrauen gehabt haben.«
»Misstrauen!«, wiederholte Elizabeth bitter. Ihre großen Augen unter den gebogenen, sardonischen Brauen wirkten sehr ernst. »Ja. Ich hatte allen Grund, misstrauisch zu sein. Sehen Sie …«
Sie erzählte die Begebenheiten des Nachmittags in allen Einzelheiten.
»Deswegen können Sie verstehen«, schloss sie, »warum ich wegen des Tees meine Zweifel hatte.« Sie machte eine entschuldigende Geste. »Wenn man ständig mit derartigen Dingen zu tun hat, wird man paranoid – so wie manche Medizinstudenten, die bei sich die Symptome gerade jener Krankheit festzustellen glauben, die sie im Moment durchnehmen. Jedenfalls habe ich das Zeug probiert« – sie zuckte mit den Schultern – »das war alles. Außerdem beschloss ich, mich nicht von hier wegzubewegen, bis Adam wiederkäme.«
Adam nahm ihre Hand und drückte sie sachte. Sie gehörten beide nicht zu der Art von Menschen, die ihre Gefühle offen zeigen, und es gab vieles zwischen ihnen, das gar nicht erst gesagt werden musste.
»Also, Gervase, wie lautet des Rätsels Lösung?«, fragte Adam.
»Die Lösung lautet« – Fen war ungewohnt nachdenklich – »dass irgendjemand wirklich große Angst bekommen hat … Wann genau hat sich das alles abgespielt?«
»Zwischen halb fünf und fünf.«
»Ich verstehe.« Fen erhob sich, ging zum Teetablett hinüber und nahm die Tasse in die Hand. »Ich denke, ich werde einen Schluck davon probieren«, sagte er, »um sicherzugehen, dass Sie sich nicht irren.«
»Sei vorsichtig«, warnte Adam, der sich neben ihn stellte.
»Dann rempele mich gefälligst nicht an«, schimpfte Fen, »wenn ich es im Mund habe. Ich habe nicht vor, verfrüht vor meinen Schöpfer zu treten.«
Er nahm einen zögerlichen Schluck – und floh fast augenblicklich ins Badezimmer. Als er wieder herauskam, roch er stark nach
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