Schwanengesang (German Edition)
ist.«
»Was ist mit Ihrem Neffen? Was wäre gewesen, wenn der Sie noch einmal hätte sehen wollen?«
»Andreas?« Sie lachte beinahe hysterisch auf. »Der hat sich doch sogar geweigert, seine eigenen Eltern anzuschauen, als die gestorben waren. Außerdem hat er mich gehasst. Es gab nun wirklich keinerlei Grund, warum er von mir auf diese Weise hätte Abschied nehmen wollen.«
»Ich verstehe. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie es waren, der Heinen erschossen hat?«
»Ja, nach der Obduktion war uns klar, dass Heinen sofort in die Schusslinie der Ermittler geraten würde. Als Arzt hätte er erkennen müssen, dass es keine Krebserkrankung gab. Also musste er weg. Darüber war ich mir mit Charlotte und Wagner vollkommen einig. Nach meinem offiziellen Tod musste ich natürlich untertauchen. Ich habe einige Tage in Heinens Fischerhütte verbracht. Als er mich dann besucht hat, um mir neue Lebensmittel zu bringen, habe ich ihn erschossen. Das ist mir nicht besonders schwergefallen. Zum einen bestand die faktische Notwendigkeit, ihn loszuwerden. Zum anderen hatte er begonnen, mich zu vergiften und in den Selbstmord zu treiben. Mein Mitleid für ihn hat sich also sehr in Grenzen gehalten.«
»Ich nehme an, das Gleiche galt für Gabriel?«
»Natürlich. Ich saß hier in Südfrankreich und habe gewartet, dass die Lebensversicherung endlich ausgezahlt wird und wir das Geld aufteilen konnten. Ich hatte mit Charlotte vereinbart, dass wir eine strikte Kontaktsperre halten, also keine Anrufe, keine E-Mails, keine SMS, keine Briefe. Irgendwann war ich die Warterei leid und bin nach Bielefeld gefahren, weil ich mich bei Charlotte nach dem Stand der Dinge erkundigen wollte. Ich hatte mich natürlich so verkleidet, dass man mich unmöglich erkennen konnte. Auch das habe ich als Schauspielerin gelernt. An dem Morgen, als ich Charlotte aufsuchen wollte, habe ich von einer ihrer Nachbarinnen erfahren, dass sie in der Nacht zuvor von einem Unbekannten erschossen worden ist. Daraufhin bin ich sofort zu der Kanzlei von Gabriel Wagner gefahren. Zuerst wollte er nicht so recht mit der Sprache herausrücken und ich musste mit meiner Pistole ein wenig nachhelfen. Dann hat er angefangen zu reden. Ich glaube, zu dem Zeitpunkt war ihm ohnehin schon alles egal. Wagner hat mir erzählt, wie Sie Charlotte mit Ihrem Verdacht konfrontiert hatten und sie fast alles verraten hätte. Deswegen wäre er durchgedreht und habe sie erschossen. Dann hat er zu mir gesagt, er erwarte Sie jeden Moment in seiner Kanzlei, da Sie mit ihm über den Fall sprechen wollten. Das hat mich natürlich sehr interessiert. Wagner wollte mich zwar loswerden, aber ich konnte ihn mit meiner Waffe ziemlich schnell davon überzeugen, mich vom Nebenraum aus zuhören zu lassen. Dabei habe ich erfahren, dass Sie ihn so gut wie überführt hatten und er kurz vor seiner Verhaftung stand. Das konnte ich natürlich nicht zulassen, denn es stand zu befürchten, dass er mich verrät. Also musste er ebenfalls sterben.«
»Wie haben Sie es anschließend geschafft zu entkommen?«
»Nach dem Schuss habe ich die Fingerabdrücke von der Waffe abgewischt und sie neben Wagner auf den Boden fallen lassen. Ich war mir zwar ziemlich sicher, dass früher oder später entdeckt werden würde, dass er sich nicht selbst erschossen hat, aber mir kam es hauptsächlich auf den ersten Eindruck an, damit nicht zu schnell nach einem Mörder gesucht werden würde. Ich habe die Kanzlei verlassen und bin nach oben in den vierten Stock gestiegen. Von dort habe ich beobachtet, wie Sie die Treppe wieder hochgekommen und in die Kanzlei gerannt sind. Aus den umliegenden Büros strömten plötzlich Menschen, die den Schuss gehört hatten. In dem allgemeinen Durcheinander konnte ich problemlos verschwinden, zumal ich ja – wie gesagt – sehr gut verkleidet war. Danach bin ich sofort in die Provence zurückgefahren. Aber eine Erklärung schulden Sie mir auch noch: Wie haben Sie mich hier ausfindig gemacht?«
»Nachdem klar war, dass Sie noch leben, habe ich mir überlegt, wohin Sie verschwunden sein könnten. Mein erster Ansatzpunkt war Charlotte Vollmer. Ich habe vermutet, dass Sie bei Ihrer Flucht einen Helfer hatten. Nach Charlotte Vollmers Tod sind in ihrem BMW Tankquittungen gefunden worden, die belegt haben, dass Frau Vollmer am Tag nach Heinens Tod nach Südfrankreich gefahren ist. Die Polizei hat sich in Frau Vollmers Verwandten- und Bekanntenkreis erkundigt, dabei wurde festgestellt, dass sie zu
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