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Schwanengesang (German Edition)

Schwanengesang (German Edition)

Titel: Schwanengesang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Hoppert
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nicht. Wichtig ist nur … ach, Scheiße.«
    Marc unterbrach sich und schüttelte den Kopf. Dann stand er auf und streckte die Hand aus. »Danke, dass Sie mich wenigstens angehört haben«, sagte er.
    Von Dr. Kröger kam keinerlei Reaktion. Mit unbeweglichem Gesichtsausdruck starrte er Marc an. Nach einer Zeit, die Marc wie eine Ewigkeit vorkam, sagte er schließlich: »Das war wahrscheinlich das schlechteste Plädoyer, das ich je von einem Anwalt gehört habe. Wer so einen Stuss redet, muss wirklich verzweifelt sein.« Er bleckte die Zähne und trommelte eine Weile mit seinen Händen auf dem Schreibtisch herum. Dann schien er einen Entschluss gefasst zu haben. Kröger aktivierte einen Knopf auf seiner Gegensprechanlage. »Frau Schmidt, suchen Sie mir bitte den Vorgang Johanna Reichert raus und bringen ihn mir? Danke.«
    Dann wandte er sich wieder Marc zu. »Ich weiß nicht, warum ich tue, was ich jetzt tue, aber wenn auch nur ein Wort davon an eine dritte Person dringt, werde ich Ihnen persönlich die Eier abschneiden und Ihnen das Maul damit stopfen, ist das klar? «
    Marc war zu verdutzt, um eine Antwort geben zu können, darum nickte er nur.
    »Gut. Ich denke, dass ich das, was ich Ihnen mitteilen werde, mit meinem Gewissen gerade noch vereinbaren kann. Ich habe Frau Reichert tatsächlich etwa zwei Wochen vor ihrem Tod aufgesucht. Sie wollte ihr Testament ändern. Dabei ging es nur um das Vermächtnis für Sie, alles andere sollte so bleiben, wie es war.«
    »Aber warum …«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung, warum Frau Reichert dieses Vermächtnis wollte. Das geht mich nichts an und deshalb habe ich sie auch nicht danach gefragt. Mich interessierte nur, ob Frau Reichert zu dem Zeitpunkt die erforderliche Geschäftsfähigkeit besaß. Sie wissen, dass ich ansonsten nach dem Beurkundungsgesetz die Beurkundung ablehnen soll. Derartige Zweifel an ihrem Geisteszustand hatte ich nicht. Frau Reichert war zwar bettlägerig und litt unter starken Schmerzen, war aber völlig klar im Kopf. Ich …«
    Dr. Kröger hielt inne, weil sich die Tür öffnete und seine Sekretärin eine Akte vor ihn auf den Tisch legte. Sie nickte Marc kurz zu, dann verließ sie den Raum wieder. Der Notar hatte die Akte derweil aufgeschlagen und blätterte darin herum. Dann blickte er wieder auf.
    »Ich hatte allerdings den Eindruck, dass Frau Reichert Sie überhaupt nicht kannte«, nahm er den Faden wieder auf. »Sie sagte mir, sie wolle ein Vermächtnis für eine Person in ihr Testament aufnehmen. Als ich sie fragte, wer diese Person sei, hat sie einen Zettel von ihrem Nachttisch genommen und mir Ihren Namen, Ihr Geburtsdatum und Ihre Adresse vorgelesen. Das ging allerdings so stockend, dass ich das Gefühl hatte, sie lese die Angaben gerade zum ersten Mal. Ich habe den Zettel zur Sicherheit mitgenommen. Für die Testamentsänderung.« Er zeigte auf eine Klarsichthülle in der Akte, in der ein DIN-A5-Zettel steckte. Marc versuchte, einen Blick darauf zu erhaschen, aber Dr. Kröger zog die Akte sofort zurück.
    »Mehr kann ich Ihnen leider nicht sagen.«
    »Waren Sie zu dem Zeitpunkt allein?«, wagte Marc sich noch einmal vor.
    »Ja, außer mir und Frau Reichert war niemand anwesend.«
    »Es wäre für mich wirklich sehr wichtig, diesen Zettel einmal zu sehen«, sagte Marc schnell. »Ich …«
    »Das kann ich Ihnen unmöglich gestatten«, unterbrach Kröger ihn sofort. »Ich muss Ihnen sogar ausdrücklich untersagen, sich von Ihrem Stuhl fortzubewegen, wenn ich Sie jetzt für exakt fünf Minuten hier allein lasse, weil ich dringend auf die Toilette muss. Haben wir uns verstanden?«
    Marc nickte stumm.
    Der Notar stand auf und ging zur Tür hinaus. Er hatte den Raum kaum verlassen, als Marc aufsprang und sich auf Krögers Platz setzte. Auf dem Zettel in der Klarsichtfolie waren in Blockbuchstaben sein Name, sein Geburtsdatum und seine aktuelle Adresse notiert.
    Marc sah sich hastig um. In Krögers Büro befand sich kein Kopiergerät. Für einen Moment war Marc sich unschlüssig, ob er es tatsächlich wagen sollte. Dann nahm er die Klarsichtfolie aus der Akte heraus und verließ den Raum. Als eine Empfangsdame ihn vor knapp zwanzig Minuten in Krögers Büro begleitet hatte, waren sie an einem Kopierer vorbeigekommen. Jetzt war der Gang, auf dem es eben noch vor Kanzleimitarbeitern gewimmelt hatte, menschenleer. Marc fragte sich, ob das ein Zufall war. Mit schnellen Schritten ging er zu dem Kopiergerät, machte einen Abzug von dem Zettel und

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