Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
vielleicht, oder in der Hoffnung, selbst etwas zu entdecken. Zu allem Überfluss soll es in diesem Haus spuken. Wir können also froh sein, dass nicht auch noch Reisebusse mit knipsenden Japanern vor dem Hof halten.«
Katrin machte den Mund auf, schloss ihn aber wieder. Der Polizist hatte nicht ganz unrecht. Aber die Art, wie das Haus durchsucht worden war, sprach dagegen. Jugendliche, die sich einen netten Abend machten, hinterließen Bierflaschen, Zigarettenkippen und anderen Müll, und sie durchstöberten die Schränke eher zufällig als systematisch. Dieser Eindringling hatte das Haus zwar auch nicht gerade professionell durchsucht, aber auf eine Art, die nahelegte, dass er etwas Bestimmtes gesucht und sich nicht einfach einen gemütlichen Abend hatte machen wollen. Ein erfahrener Polizist wie Günther Rau müsste das eigentlich erkennen.
»Möchten Sie Anzeige erstatten?«, fragte Gericke. Er schien begierig darauf, etwas zu tun.
Manfred hob unentschlossen die Schultern.
»Allerdings möchten wir das«, fuhr Katrin dazwischen.
»Gut, dann bräuchte ich noch ein paar Angaben.« Gericke sah Manfred an, der ergeben seufzte.
Während Manfred mit dem jungen Polizisten sprach, wandte Katrin sich erneut an Günther Rau. »Als wir herkamen, haben wir mehrere Polizeiwagen auf der Zufahrtsstraße gesehen. Ist etwas passiert? Gab es einen Unfall?«
Rau nickte. »Eine Frau ist angefahren worden. Sie haben nicht zufällig etwas mitbekommen?«
»Nein, wir sind ja erst eingetroffen, als die Polizei schon vor Ort war. Wie geht es denn der Frau?«
Rau hob die Schultern. »Sie ist ins Krankenhaus gebracht worden. Wenn ich die Kollegen richtig verstanden habe, ist sie sehr schwer verletzt, und es ist nicht sicher, ob sie durchkommt.«
8
Dienstag, 15. Mai
»Haben Sie es schon gehört?« Die Frau in dem Putzkittel beugte sich verschwörerisch vor, obwohl außer Katrin, Manfred und ihr niemand in der Rezeption war.
Sie kamen gerade aus Euskirchen zurück, Manfred hatte den Notar aufgesucht, Katrin noch einmal das Stadtarchiv. Über David Freeman hatte sie allerdings nur eine kurze Notiz gefunden. Offenbar hatte es 1974 niemanden sonderlich interessiert, dass ein schwarzer Tourist aus den USA in einem Eifeldorf spurlos verschwunden war. Immerhin wusste sie nun, dass David Freeman damals Witwer und Vater zweier erwachsener Töchter gewesen war.
»Wovon sprechen Sie?«, fragte Katrin, die immer für ein interessantes Gerücht zu haben war.
Manfred verdrehte die Augen und griff nach dem Zimmerschlüssel.
»Die amerikanische Dame, die bei uns Gast ist. Sie sind ihr doch sicherlich schon begegnet?«
Jetzt war auch Manfreds Neugier geweckt. »Was ist mit ihr?«
»Sie hatte einen Unfall. Sieht nicht gut aus, habe ich gehört. Sie liegt im Koma.«
»Wie furchtbar«, murmelte Katrin. »Ist sie mit dem Auto verunglückt?«
»Sie wurde angefahren. In Kestenbach, das ist ein Dorf hier in der Nähe. Der Mistkerl hat übrigens Fahrerflucht begangen. Ist einfach abgehauen und hat sie da zurückgelassen. Wenn sie nur ein wenig länger dort gelegen hätte, wäre sie jetzt tot.«
Katrin warf Manfred einen Blick zu. Ihre Gedanken rasten. War das wirklich ein Unfall gewesen, oder steckte mehr dahinter? Doch wer sollte Rosemary Alcott etwas antun wollen? Und warum? »Wissen Sie, in welchem Krankenhaus sie liegt?«, fragte Katrin.
Die Frau warf ihr einen merkwürdigen Blick zu. Offenbar glaubte sie, es mit jemandem zu tun zu haben, der noch neugieriger war als sie selbst. Katrin scherte das nicht. Womöglich hatte die Frau sogar recht. Doch Katrins Neugier war kein reiner Selbstzweck, das redete sie sich zumindest ein.
»Ich weiß nicht«, räumte die Frau ein. »Aber ich kann es herausfinden, wenn Sie möchten.«
»Ja bitte, tun Sie das.« Katrin lächelte die Frau zuckersüß an. »Die Arme kennt hier bestimmt niemanden, also bekommt sie vermutlich auch keinen Besuch.« Sie wandte sich ab.
»Die Arme bekommt bestimmt keinen Besuch«, äffte Manfred sie nach, als sie die Treppe hinaufstiegen. »Hast du plötzlich deine fürsorgliche Ader entdeckt?«
Katrin drehte sich zu ihm um. »Hältst du mich etwa für kaltherzig?«, fragte sie in gespielter Empörung.
»Ich halte dich nicht für einen Menschen, der aus reiner Nächstenliebe einen Krankenbesuch bei einer wildfremden Frau macht«, schnaufte Manfred.
Katrin sah ihn an. »Außer Atem? Du solltest etwas für deine Fitness tun. Sonst wirst du ganz schnell alt und gebrechlich.
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