Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Und wer weiß, ob ich mich dann um dich kümmere. Denn aus reiner Nächstenliebe tue ich nichts.« Sie rannte los.
Manfred stürmte hinter ihr her und holte sie an der Zimmertür ein. Er packte sie und hielt sie fest. »Noch bin ich schnell genug, um dich zu kriegen«, raunte er ihr ins Ohr. »Also pass auf, was du sagst.«
Während er das Zimmer aufschloss, klingelte Katrins Handy. »Ja bitte?«
»Frau Sandmann? Maren Lahnstein hier. Der Test ist abgeschlossen. Aber glauben Sie nicht, dass das immer so schnell geht. Das war ein einmaliger Gefallen, weil Halverstett so große Stücke auf Sie hält.«
Katrin hielt die Luft an. Maren Lahnstein war die Leiterin der Düsseldorfer Rechtsmedizin, Klaus Halverstett Kriminalhauptkommissar am Polizeipräsidium der Landeshauptstadt. Mit ihm hatte sie in der Vergangenheit mehrfach zu tun gehabt. »Und?«
»Die Untersuchung hat Ihre Vermutung bestätigt. Ein junges Mädchen, dreizehn oder vierzehn Jahre alt. Die Details entnehmen Sie bitte dem Bericht. Er ist per Post auf dem Weg zu Ihnen. Die Rechnung ebenfalls.«
»Danke, Sie haben mir sehr geholfen.« Katrin wusste nicht, ob die Medizinerin ihre Antwort überhaupt noch gehört hatte, denn sie hatte die Verbindung bereits unterbrochen. Knapp und spröde wie immer. Katrin musste lächeln. Sie mochte Maren Lahnstein trotzdem.
»Was ist?«, fragte Manfred und schloss die Tür hinter ihnen. »Du strahlst über das ganze Gesicht. Hast du einen Wettbewerb gewonnen?«
»Jedenfalls eine Wette.« Katrin grinste. Dann wurde sie ernst. Jetzt musste sie Manfred beichten, was sie Freitagabend getan hatte. Begeistert würde er nicht sein.
»Ich höre.« Er ließ sich auf das Bett fallen, streckte die Beine aus und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
»Ich habe den medizinischen Beweis dafür, dass die Mumie ein junges Mädchen war.«
» Du hast was ?« Manfred ließ die Arme sinken.
»Die Rechtsmedizin Düsseldorf ist spezialisiert auf Altersbestimmung mithilfe von Zähnen. Das Labor dort ist europaweit führend. Ich habe Maren Lahnstein einen Zahn geschickt, und sie hat extra schnell gemacht mit der Analyse. Das Mädchen war dreizehn oder vierzehn, als es starb.«
»Du hast einen Zahn nach Düsseldorf geschickt? Wann denn? Und wo hattest du ihn her?«
»Das ist doch unwichtig. Das Ergebnis zählt.«
Manfred kniff die Augen zusammen. »Du warst also tatsächlich nicht im Kino am Freitag.«
Katrin hob die Hände. »Ich musste es tun. Ich will die Wahrheit wissen. Das möchtest du doch auch, oder?«
Manfred legte den Kopf schief. Katrin sah, dass ihn seinem Hirn Wut und Bewunderung miteinander rangen. »Die Polizei hätte das früher oder später auch ermittelt.«
»Diese Dorfsheriffs? Ist das dein Ernst? Ich habe mich informiert. Bei dem DNA-Test kann erst mal nur festgestellt werden, ob die Mumie die Mutter von Marius Grauweiler ist. Falls der Befund negativ ist, wird weiter getestet. Es kann ewig dauern, bis ein Ergebnis vorliegt.«
Manfred starrte nachdenklich auf seine Finger. »Du weißt, dass du das der Polizei mitteilen musst.«
Katrin seufzte. »Ich freue mich schon drauf.«
»Du hast es nicht besser verdient.« Manfred stand auf und trat ans Fenster. »Du lagst also richtig mit deiner Vermutung. Die Tote ist nicht Johanna Grauweiler.«
»Könnte es vielleicht sein, dass dein Onkel gar nichts von der Mumie wusste? Dass ein anderer das Mädchen dort versteckt hat?«, fragte Katrin.
Manfred schüttelte den Kopf. »Nein, das kann nicht sein. Er hat es gewusst.«
»Was macht dich so sicher?«
Manfred antwortete nicht sofort. »Eine Erinnerung«, sagte er dann. »An ein Weihnachtsfest.« Er sah Katrin nicht an, starrte nach draußen, während er sprach. »Ich war noch ganz klein, vier oder fünf vielleicht. Wir feierten Heiligabend bei Onkel Marius. Ich war total aufgeregt, weil ich mir einen Roller gewünscht hatte und sicher war, ihn auch zu bekommen. Einen richtigen Roller, weißt du, nicht so ein klappriges Ding, wie sie heutzutage in Mode sind, sondern einen großen mit echten Gummireifen und einer Fußbremse. Ich hatte ihn im Schlafzimmer meiner Eltern in der Ecke stehen sehen. Meine Mutter hatte eine Wolldecke darüber gehängt, doch die Reifen schauten unten heraus. Ich war so voller Vorfreude, dass mich sogar das zu enge Hemd und der kratzige Wollpullunder, die ich tragen musste, nicht störten. Zum Essen gab es Gänsebraten, die Erwachsenen tranken Wein, und ich bekam Traubensaft, auch in einem
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