Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
aus.
Sie fixierte Katrin. »Der Zahn, den Sie angeblich in dem Bett in der geheimen Kammer gefunden haben, wurde mit Gewalt aus dem Gebiss der Verstorbenen entfernt. Wer auch immer das getan hat, hat sich damit strafbar gemacht.«
Katrin zuckte hilflos mit den Schultern. »Dazu kann ich nichts sagen.«
Breitner stellte Kaffeetassen auf dem Tisch ab. Er schien sich wie Zuhause zu fühlen. Offenbar war er von der Vorstellung beseelt, dass die Welt ihm gehörte. »Leider ist keine Milch da«, sagte er an Katrin gewandt. »Ich hoffe, es geht auch so.«
»Das ist doch jetzt egal«, fuhr Neumond ihn an. »Also, Frau Sandmann, haben Sie mir etwas zu sagen?«
»Ich habe bereits bei Ihren Kollegen eine Aussage gemacht, der habe ich nichts hinzuzufügen.« Katrin nippte an ihrem Kaffee.
Die Kommissarin musterte sie wortlos, dann nickte sie. »Wie Sie meinen. Jedenfalls wissen wir nun aufgrund Ihres nicht autorisierten Alleingangs, dass die Tote, die hier im Haus gefunden wurde, nicht Johanna Grauweiler ist. Deshalb ermittelt ab sofort die Kripo Bonn. Im Laufe des Tages wird ein Tatortteam hier eintreffen und die Kammer untersuchen. Die Mumie wird in die Rechtsmedizin Bonn überführt.« Sie blickte zu Manfred. »Leider haben wir noch keine Ahnung, wie lang die Tote schon hier liegt. Ich habe dennoch ein paar Fragen an Sie.«
»Bitte. Schießen Sie los.« Manfred hatte seinen Kaffee nicht angerührt. Er wusste, dass es albern war, aber am liebsten würde er diesem Michael Breitner das heiße Getränk in sein Grinsegesicht schütten.
»Sie sind hier aufgewachsen?«
»In der Nähe. In Winscheid.«
Die Polizistin warf ihrem Kollegen einen fragenden Blick zu.
»Liegt östlich von hier. Auf der anderen Seite der B 258.« Breitner lächelte Katrin an und zwinkerte.
Manfred registrierte, dass sie errötete.
Neumond hob eine ihrer perfekt geformten Augenbrauen.
»Wir kennen uns von früher«, erklärte Breitner rasch.
»Aha.« Sie wandte sich wieder an Manfred. »Marius Grauweiler war Ihr Onkel, richtig? Haben Sie ihn öfter besucht?«
»Hin und wieder.«
Sie nahm einen Kuli in die Hand. »Geht das etwas genauer?«
»Als ich klein war, sind wir oft am Wochenende hergekommen, aber irgendwann hat das aufgehört, da waren wir nur noch an Feiertagen hier. Weihnachten, Ostern, Onkel Marius’ Geburtstag.«
»Erinnern Sie sich, wann die häufigen Besuche aufgehört haben?«
Manfred runzelte die Stirn. »Sie glauben doch nicht, dass das etwas mit dem toten Mädchen zu tun hat?«
»Wir glauben im Augenblick noch gar nichts, wir wollen uns einfach nur ein Bild machen«, erklärte Breitner.
Manfred schluckte hart. »Ich weiß nicht mehr, wann das war. Ich war noch ein Kind.«
»Wie alt ungefähr?«
»Keine Ahnung! Fragen Sie meine Mutter!«
»Ihre Mutter lebt noch in der Gegend?«
»In Winscheid, ja.«
Die Kommissarin notierte sich die Adresse, die Manfred ihr diktierte. »Kennen Sie sonst noch jemanden, der uns weiterhelfen könnte?«
»Ich lebe seit über zwanzig Jahren in Düsseldorf. Ich kenne mich hier nicht mehr aus.« Manfred verzog das Gesicht. »Vermutlich kann Ihnen jeder hier im Dorf mehr erzählen als ich.«
Michael Breitner beugte sich vor. »Abgehauen?« Er grinste. »Kann ich gut verstehen. Das hier ist echt der Arsch der Welt.«
Manfred musste sich beherrschen, um ihm nicht seine Grinsefresse zu polieren.
*
Katrin rollte langsam die schmale Straße entlang und hielt nach dem richtigen Haus Ausschau. Gar nicht so einfach, denn sie hatte es ja nur einmal kurz gesehen. Plötzlich trat sie auf die Bremse. Die bepflanzte Schubkarre gab es nur einmal. Sie holte tief Luft und stieg aus.
Ruth Kabritzky öffnete nach dem ersten Klingeln. »Hallo, Katrin, wie schön, dass ihr gekommen seid!« Sie reckte den Hals, verzog enttäuscht das Gesicht. »Wo ist Manfred?«
»Er musste mit den Kripobeamten nach Bonn fahren, wegen seiner Aussage.«
»Aber warum das denn plötzlich?« Ruth sah sie verwirrt an. Sie stand noch immer auf der Türschwelle, als wolle sie Katrin den Weg versperren.
Doch Katrin war fest entschlossen, sich nicht beirren zu lassen. »Das erkläre ich dir drinnen. Machst du uns einen Kaffee?«
»Oh, ja natürlich.« Ruth lächelte, doch sie wirkte abwesend. Katrin fiel zum ersten Mal auf, wie alt sie aussah. Das Gesicht war von Falten durchzogen, die alle auf die dünnen, zusammengepressten Lippen zuzulaufen schienen. Die Haut am Hals war schlaff, die Haltung gebeugt. »Komm doch
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