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Schwanenschmaus im Porterhouse

Schwanenschmaus im Porterhouse

Titel: Schwanenschmaus im Porterhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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keinen ordentlichen Selbstmord mehr im College. Wirklich bedauerlich.«
    »Mir leuchtet nicht ein, was am Nachlassen dieser Unsitte bedauerlich sein soll, Kaplan«, sagte der Schatzmeister. »Ich glaube, ich nehme mir noch einen Nachschlag von den Brieschen«, sagte der Dekan.
    Der Kaplan lehnte sich zurück und betrachtete die anderen über den Rand seiner Brille hinweg. »Früher verging kaum eine Woche, ohne daß sich irgendein armer Bursche auf ewig verabschiedete. Als ich frischgebackener Kaplan war, verbrachte ich die Hälfte meiner Zeit mit dem Besuch von gerichtsmedizinischen Anhörungen. Wenn ich’s recht bedenke, gab es eine Zeit, wo man uns als ›Das Schlachthaus‹ kannte.«
    »Seitdem hat sich die Lage zum Besseren gewendet«, sagte der Schatzmeister.
    »Unsinn«, widersprach der Kaplan. »Die sinkende Selbstmordrate ist das deutlichste Anzeichen des moralischen Verfalls. Anscheinend werden die Studenten nicht mehr in dem Maße von Gewissensqualen gepeinigt wie zu der Zeit, als ich noch jung war.«
    »Sie glauben doch nicht, daß das etwas mit der Einführung von Erdgas zu tun hat?« wollte der Obertutor wissen. »Erdgas? Mitnichten«, sagte der Dekan. »Ich teile die Meinung des Kaplans. Die Jugend von heute läßt am liebsten Gras über ihre Gewissensbisse wachsen.«
    »Gras«, rief der Kaplan. »Hat da jemand was von Gras gesagt?«
    »Ich sagte lediglich ...«, setzte der Dekan an. »Wenigstens hat niemand den Verdacht geäußert, der junge Zipser hätte unter Drogeneinfluß gestanden«, unterbrach der Schatzmeister. »Die Polizei hat schließlich eine sehr gründliche Untersuchung vorgenommen und nichts gefunden.« Der Dekan runzelte die Stirn. »Nichts gefunden?« sagte er. »Wenn mich nicht alles täuscht, haben sie einen ganzen Sack voller ... ähem ... Präservative mitgenommen.«
    »Ich sprach von Drogen, Herr Dekan. Es ging um die Frage des Motivs, verstehen Sie. Anscheinend nahm die Polizei an, Zipser sei einem irrationalen Impuls erlegen.«
    »Soviel ich weiß, ist er Mrs. Biggs erlegen «, sagte der Obertutor. »Mrs. Biggs könnte man wohl als einen irrationalen, jedenfalls einen sehr geschmacklosen Impuls bezeichnen. Ich muß zugeben, daß ich eine solche Begeisterung für gasgefüllte Präservative ziemlich unbegreiflich finde.«
    »Laut Polizei waren es zweihundertfünfzig Stück«, berichtete der Schatzmeister.
    »Über Geschmack läßt sich nicht streiten«, sagte der Dekan,
    »ich für mein Teil vermute allerdings eher, daß ... politische Motive hinter der ganzen bedauerlichen Angelegenheit stecken. Dieser Zipser war nämlich ganz klar Anarchist. In seiner Wohnung fand man jede Menge linksradikale Literatur.«
    »Soweit ich weiß, hat er über Pumpernickel gearbeitet«, sagte der Schatzmeister. »Über dessen Stellenwert im Deutschland des sechzehnten Jahrhunderts.«
    »Außerdem gehörte er einer Reihe subversiver Gruppierungen an«, fuhr der Dekan fort.
    »Ich würde den Verband zur Förderung der Vereinten Nationen nicht gerade subversiv nennen«, wandte der Schatzmeister ein.
    »Aber ich«, sagte der Dekan. »Alle politischen Vereinigungen sind subversiv. Geht gar nicht anders. Ist doch logisch. Würden nicht existieren, wenn sie nicht irgendwas unterwandern wollten.«
    »Jedenfalls hat er sich auf recht ungewöhnliche Weise mit seiner Umwelt auseinandergesetzt«, stellte der Schatzmeister fest. »Doch die Anwesenheit von Mrs. Biggs läßt sich damit immer noch nicht erklären.«
    »Ich bin geneigt, dem Dekan beizupflichten«, sagte der Obertutor. »Wer mit Mrs. Biggs ins Bett geht, muß entweder verrückt sein, oder sein Gespür für gesellschaftliche Umgangsformen ist völlig außer Kraft; und wenn man zweihundertfünfzig tödliche Präservative auf seine nichtsahnenden Mitmenschen losläßt, deutet dies auf einen Fanatismus hin ...«
    »Andererseits«, wandte der Schatzmeister ein, »hat er sich wegen seiner diese gute Frau betreffenden ... äh ... Zwangsvorstellungen an Sie gewandt. Sie erwähnten es seinerzeit.«
    »Tja, das kann schon sein«, räumte der Obertutor ein,
    »obwohl ich hinter das Wörtchen ›gut‹ in Verbindung mit Mrs.
    Biggs ein Fragezeichen setzen möchte. Jedenfalls habe ich ihn in den Kaplan verwiesen.«
    Sie sahen den Kaplan fragend an. »Mrs. Biggs eine gute Frau?« schrie dieser. »Das kann man wohl sagen. Prachtweib.«
    »Wir haben uns gefragt, ob Zipser Ihnen vielleicht irgendwelche Hinweise auf seine Motive gab«, erläuterte der

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