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Schwanenschmaus im Porterhouse

Schwanenschmaus im Porterhouse

Titel: Schwanenschmaus im Porterhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Schatzmeister.
    »Motive?« sagte der Kaplan. »Liegen klar auf der Hand. Gute alte Wollust.«
    »Was den explosiven Charakter seines Ablebens wohl kaum erklärt«, stellte der Obertutor fest.
    »Man kann keinen neuen Wein in alte Schläuche füllen«, sagte der Kaplan.
    Der Dekan schüttelte den Kopf. »Ganz gleich, was seine Motive waren«, stellte er fest, »Zipser hat uns in eine heikle Lage gebracht. Man kann sich schwerlich gegen Änderungen wehren, wenn Collegemitglieder sich derart daneben benehmen. Die Sitzung der Porterhouse-Gesellschaft wurde bereits abgesagt.«
    Die Fellows sahen ihn verdutzt an.
    »Aber soviel ich weiß, war der General mit der Sitzung einverstanden«, sagte der Obertutor. »Er wird doch jetzt keinen Rückzieher machen?«
    »Cathcart hat sich als Rohr im Wind erwiesen«, erklärte der Dekan betrübt. »Heute morgen teilte er mir telefonisch mit, seiner Meinung nach sollten wir warten, bis sich die Rauchschwaden verzogen haben. Keine sehr glückliche Formulierung, aber er hat nicht unrecht. Im Moment kann sich das College wohl kaum noch einen Skandal leisten.«
    »Dieser verfluchte Zipser«, sagte der Obertutor Schweigend beendeten die Fellows ihr Abendessen.
    Im Rektorhaus betrauerten Sir Godber und Lady Mary Zipsers Ableben bei einem frugalerem Rührei. Wie gewöhnlich erfüllte solch tragisches Geschehen Lady Mary mit frischer Lebenskraft, und die sonderbaren Umständen von Zipsers Tod hatten ihrem psychologischen Interesse neuen Auftrieb gegeben. »Der arme Junge muß einen Fetisch gehabt haben«, sagte sie, und das leidenschaftslose Interesse, mit dem sie eine Banane schälte, erinnerte Sir Godber an seine Flitterwochen. »Genau wie im Fall des Jungen, den man auf dieser Zugtoilette in einem Plastiksack fand.«
    »Ein seltsamer Aufenthalt«, sagte Sir Godber und nahm sich ein paar Dosenhimbeeren.
    »Natürlich haben wir es hier mit einem viel klareren Fall von Mutterkomplex zu tun«, fuhr Lady Mary fort. »Bei dem Plastiksack handelte es sich eindeutig um einen Plazentaersatz.« Sir Godber schob seinen Teller von sich. »Wahrscheinlich willst du mir jetzt erzählen, Präservative mit Gas zu füllen, deute zweifelsfrei darauf hin, daß der arme Kerl unter Penisneid litt.«
    »Jungen leiden nicht unter Penisneid, Godber«, korrigierte Lady Mary ihn streng. »Den haben nur Mädchen.«
    »Tatsächlich? Na, vielleicht litt die Aufwartefrau darunter. Andererseits gibt es keinen Hinweis darauf, daß Zipser die Kondome in den Schornstein gestopft hat. Wir wissen zwar, daß er sie beschafft hat, aber ebensogut hätte Mrs. Biggs sie mit Gas füllen und in den Schornstein stecken können.«
    »Das ist auch so eine Sache«, sagte Lady Mary. »Die Bemerkungen des Dekans über Mrs. Biggs waren absolut geschmacklos! Zipsers Affäre mit seiner Aufwartefrau schien in zu beweisen, daß der Junge geisteskrank war. Ein himmelschreienderes Beispiel für Klassendünkel läßt sich nur schwer vorstellen, aber schließlich war ich schon immer der Meinung, daß der Dekan ein einmalig gewöhnliches Männlein ist.«
    Sir Godber blickte seine Frau mit unverhohlener Bewunderung an. Ihre fehlende Logik verblüffte ihn immer wieder, Lady Marys Egalitarismus entsprang einem Gefühl angeborener Überlegenheit, an dem sogar ihre Ehe mit Sir Godber nicht gerüttelt hatte. Manchmal fragte er sich, ob sie ihn damals nicht nur aus politischen Gründen und zum Beweis ihrer Liberalität geheiratet hatte. Er schob seinen häuslichen Tagtraum beiseite und dachte über die Konsequenzen von Zipsers Tod nach. »Jetzt wird es noch schwieriger werden, den Dekan in den Griff zu kriegen«, sagte er nachdenklich. »Er behauptet bereits, die sexuelle Freizügigkeit sei für diese Angelegenheit verantwortlich.«
    Lady Mary schnaubte verächtlich. »Völliger Unfug«, fauchte sie wie bestellt. »Gäbe es Frauen im College, wäre so etwas nicht passiert.«
    »Dem Dekan zufolge hat uns aber eben Mrs. Biggs’ Anwesenheit in Zipsers Wohnung das Unglück beschert«, bemerkte Sir Godber.
    »Der Dekan«, sagte Lady Mary mit Nachdruck, »ist ein altes Chauvi-Schwein. Ein vernünftiges Koedukationsprogramm würde die bekanntlich zu Fetischismus führende sexuelle Verdrängung verhindern. Bei der nächsten Ratssitzung mußt du darauf hinweisen.«
    »Meine Liebe«, sagte Sir Godber matt, »du verstehst offenbar nicht, in welch schwieriger Lage ich mich befinde. Jetzt kann ich wohl kaum als Rektor zurücktreten, sonst sähe es aus, als würde

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