Schwanentanz
Richtung des Ausgangs, der durch die alte Eiche zu Suzannas Haus führte. Er blieb stehen, als er merkte, dass er zu ihr wollte. Kein Zweifel, sie würde ihm helfen zu vergessen. Sie würde ihn von der Realität ablenken, wenn er erst die Hände in ihrem Haar vergrub und sein Gesicht zwischen ihre Brüste presste. In ihrem Körper würde er einen Moment Frieden finden.
Und doch zögerte er und ging schließlich einen anderen Weg.
Es war nicht richtig, sie zu benutzen, um sich weniger schmutzig zu fühlen. Kurz irritierte ihn der Gedanke. Richtig oder falsch, das machte für ihn, der unter der Erde lebte, keinen Unterschied. Konsequenzen amoralischer Handlungen verfolgten ihn nicht. Der Síd war sicher vor der Rache benutzter Frauen. Doch den Gedanken, Suzanna benutzt zu haben, würde er kaum an der Oberfläche zurücklassen können, und die Vorstellung, sie unglücklich gemacht zu haben, erst recht nicht. Vielleicht war es naiv, zu denken, er hätte genug Macht über sie, um sie unglücklich zu machen. Hatte sie ihm nicht selbst gesagt, wie egal er ihr war? Schon. Aber im gleichen Moment hatte er schmunzeln müssen, weil er ihre Lüge durchschaute. Wie er es auch drehte, diese Frau verursachte nicht nur Hitze in seiner Hose. Auch in seinem Brustkorb, irgendwo zwischen Lungen und Zwerchfell wurde es wohlig warm, wenn er an sie dachte.
Er öffnete einen Durchgang und fand sich erstaunt mit zwei Tatsachen konfrontiert. Erstens: Der Gedanke an Suzanna hatte seine eben noch vorherrschende Verzweiflung fast vollständig vertrieben. Und zweitens: Am Ende des Tunnels, der vor ihm lag, fielen Wassermassen, durch die das Sonnenlicht schien wie durch Tausende von Prismen. Er war in seiner Grübelei zum Wasserfall gegangen. Zum einzigen Ort, den er nie wieder besuchen wollte, weil die Erinnerungen zu schmerzhaft waren. Er trat so weit vor, bis er das herabstürzende Wasser berühren könnte, wenn er die Hand austreckte. Das Tosen war lauter als seine Gedanken. Gischt legte sich über seine Haut. Er erinnerte sich, dass der Wasserfall von dieser Stelle aus noch etwa zwei Meter hinabstürzte und dort von einem Tosbecken aufgefangen wurde, das über viele Tausend Jahre so tief geworden war, dass es keinem von Caras Kriegern je gelungen war, bis zum Grund zu tauchen. Sie spottete gerne über die Schwäche der Menschenmänner. Die Männer nannten das Tosbecken einen Hexenkessel, weil das Wasser darin sprudelte, als kochte es, und weil es im Licht von Sonne und Mond permanent seine Farben wechselte.
Brandon schloss die Augen und spannte jeden Muskel an. Zwei energische Schritte Anlauf. Sprung. Er schlug durch das klirrend kalte Wasser wie durch eine Glasscheibe. Spritzer flogen umher und glitzerten im Sonnenlicht wie Scherben und Splitter. Die Kraft des fallenden Flusses presste ihm den Atem aus den Lungen. Sein Kopf dröhnte. Im Sprung beugte er den Körper, streckte die Beine aus und tauchte kopfüber ins brodelnde Ungewisse.
Während Suzanna den Kopf an die Scheibe lehnte, knatterte draußen ein anachronistisches Motorrad vorbei. Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, um Hilfe zu rufen. Doch wenn der Fahrer nur halb so alt war wie seine Maschine, dann könnte er ihrem Wächter höchstens einen Krückstock zwischen die Beine werfen. Außerdem dröhnte der Motor so laut, dass man ihre Schreie ohnehin nicht wahrgenommen hätte. Nein, sie war und blieb auf sich gestellt. Mit den Fingerspitzen massierte sie ihre Schläfen.
Denk nach, altes Mädchen, denk nach.
Ihr Blick fiel auf ihren Kulturbeutel und sie entsann sich an den alten Aberglauben ihrer Mutter, eine Tänzerin müsse immer und überall Ersatzbänder für ihre Spitzenschuhe und Nähzeug bei sich haben. Die Zeit der Spitzenschuhe war für sie vorbei. Aber die Satinbänder befanden sich immer noch in jeder ihrer Handtaschen, in den Innentaschen ihrer Jacken und in ihrem Kulturbeutel. Satin war reißfest. Sie erinnerte sich daran, weil sie einen Exfreund spielerisch damit gefesselt hatte. Entgegen ihrer erotischen Pläne war er jedoch in Panik geraten undtrotz seiner durch viel Training gestählten Muskeln konnte er sich nicht befreien, ehe sie eine Schere gefunden hatte.
Vom Flur aus lagen die Türknaufe von Bad und Schlafzimmer unmittelbar nebeneinander. Wenn sie genug Zeit hätte, könnte sie Alec Junior in ihrem Schlafzimmer einsperren, nach unten laufen und mit etwas Glück ihr Auto erreichen, bevor der Mann sich befreite.
Um den Zweifeln keine
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