Schwanentanz
braucht seinen Kampf, wenn er in Frieden sterben möchte. Ich bin wirklich sehr ungern grob zu dir, aber wenn du der Schlüssel bist, damit mein Vater seine Rache kriegt, sind mir meine Belange egal, aber so was von! Und deine erst recht. Hast du kapiert?“
Suzanna sollte besser nicken, das war ihr durchaus klar. Doch es ging nicht. „Für die Rache eines alten Mannes sind Sie bereit, in den Bau zu gehen?“
Als Primaballerina mochte sie eine gute Schauspielerin sein, aber ihr gegenüber saß ein Pokerspieler, wie sie mit Entsetzen erkennen musste. Er lächelte ebenso kühl zurück, griff in seine Brusttasche und betrachtete ein grünes Kärtchen. Es war ihr Ausweis. Dahinter versteckte er ein Foto, ließ sie nur eine Ecke erkennen. Verdammt. Das war eine Aufnahme ihrer Eltern, das Bild, auf dem sie im Hyde Park Eis aßen und die Schwäne mit den Waffeln anlockten. Das eine Bild, auf dem ihre Mutter mit in den Nacken gelegtem Kopf so sehr lachte, dass man ihre Plomben sah. Er musste es im Schlafzimmer aus ihrer Schublade genommen haben. Blöderweise hatte sie dasBild in einem Briefumschlag aufbewahrt, auf dem als Absender noch die Adresse ihrer Eltern stand.
„So ist es. Aber du, Suzanna Beth Williams aus London, bist nicht bereit, jemanden, der dir lieb ist, ins Grab zu schicken, nur weil du mich im Knast sehen willst. Nicht wahr?“
Ein Schmerz am Kopf rief Brandon zur Besinnung. Er sank! Gleichzeitig riss ihn etwas nach oben, und zwar an den Haaren.
Er konnte nur Sekunden ohnmächtig gewesen sein und war von einem auf den anderen Moment wieder voll da. Mit zitternden Muskeln trat er Wasser und ruderte mit den Armen. Kaum, dass sein Gesicht an der Luft war, sodass er atmen konnte – bei den Göttern und Verfluchten, war da Säure in der Luft? –, schlug er die Hand weg, die sich in sein Haar gegraben hatte. Keuchend suchte er nach Orientierung. Er sah den Mann, der neben ihm schwamm, nur als dunklen Schemen. Seine Sicht war noch zu schwammig, um ihn zu erkennen. Vielleicht hatte dieser Mann ihn gerettet. Bestimmt sogar. Aber alle Instinkte schrien gegen das Brennen in seinem Brustkorb und das Donnern in seinem Kopf an. Sie bedeuteten ihm nur eins: Gefahr.
Weit entfernt hörte er, wie jemand etwas rief. Er versuchte, seinen Atem zu kontrollieren, das raue Keuchen zu unterdrücken, um die Stimme zu verstehen. Aber sein Körper agierte aus Selbsterhaltungstrieb und wollte nur drei Dinge. Luft. Noch mehr Luft. Und fliehen.
Er warf sich zur Seite, schwamm aufs Ufer zu und erreichte die ersten Schilfgräser im gleichen Moment, als der Verfolger seinen Fuß packte. Der Kerl zog ihn zu sich und nach unten. Erneut flutete Wasser in Brandons Gesicht. Er prustete und trat nach hinten aus, doch mit bloßen Füßen konnte er niemanden beeindrucken. Der Mann packte ihn im Genick wie eine nasse Katze, bog ihm einen Arm auf den Rücken und drückte sein Gesicht unter Wasser. Brandon kämpfte vergeblich gegen ihn an. Der Mann war stark und ausgeruht, nicht gerade beinah abgesoffen. Brandon wusste, dass er aller Panik und allem Instinkt zum Trotz nur eine Chance hatte. Er musste aufgeben und still sein, in der Hoffnung, dass es das war, was der Kerl zu erzwingen versuchte. Er wehrte sich nicht länger und entließ seinen letzten Atem ins Wasser, als er sich zu entspannen versuchte. Einen entsetzlichen Moment lang geschah nichts, sein Kopf wurde unbarmherzig knapp unter der Wasseroberfläche festgehalten. Dann ließ der Druck nach. Endlich! Brandons Kopf schoss hoch. Er hustete, keuchte, bis er würgen musste. Der fremde Mann ließ ihn, hielt ihn aber so im Griff, dass er ihn beim kleinsten Fluchtversuch wieder untertauchen könnte. Brandon hatte keine Kraft mehr, um nur ans Fliehen zu denken. Die kühle Luft fühlte sich an, als kratzten Splitter aus Eis durch seine Nasenhöhle und die Kehle. Er hatte das Gefühl, Blut zu husten und musste gegen den Schwindel kämpfen, der in die Ohnmacht lockte.
„Bring den Kerl aus dem Wasser raus!“, rief jemand.
Die Stimme kannte er nicht. Langsam wurde seine Sicht wieder klarer, er blickte sich über die Schulter um. Den Mann, der ihn aus dem Tosbecken gefischt hatte wie einen fetten Flusskrebs, hatte er noch nie gesehen.
„Muss dir wohl danken“, versuchte er zu sagen, aber ihm gelang nur ein Krächzen. Der Fremde lachte humorlos. Brandon gefiel das nicht. Er wurde in seiner unbequemen Haltung zum Ufer bugsiert und dort gleich von einem weiteren Kerl in Empfang
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