Schwanentanz
weit aufriss, sah er nichts als Schwärze, und er wusste nicht, warum. Schwamm er in die falsche Richtung? Bewegte er sich nicht zur Oberfläche? Oder schwand ihm einfach nur die Sicht? In seinen Lungen wütete ein Feuer, und er hätte bloß Wasser durch die Nase ziehen müssen, um es zu löschen. Schnell und einfach. Ertrinken war ein rascher Tod. Aber, verdammt, er wollte nicht ertrinken. Nichtjetzt und nicht hier! Er hielt das Feuer aus, ließ es brennen, ihn versengen. Er spürte seine Muskeln zucken, sein Körper entriss ihm die Kontrolle, er schrie stumm seine Wut ins Wasser, und plötzlich war es überall. In seinem Mund, seiner Nase, seinem Rachen, in ihm. In dem Moment, als sein Kopf die Wasseroberfläche durchbrach, sackte ihm das Bewusstsein weg.
„Suzanna, ich hätte Sie für klüger gehalten.“
Mit vorgehaltener Waffe trat Alec Junior näher. Sein Kehlkopf hüpfte, als bereitete er sich im Geist auf einen Mord vor. Den Mord an ihr.
Suzanna schwamm der Kopf. Das verdammte Auto, und damit die Chance zur Flucht, befand sich direkt hinter ihr. Sie wich einen Schritt zurück und presste die Oberschenkel gegen die Karosse.
„H-hören Sie“, stammelte sie. „Bitte nehmen Sie die Waffe runter. Ich hab doch keinem was getan. Ich will weg hier, das ist alles, bitte …“
Der Mann schüttelte den Kopf. „Wir gehen jetzt wieder rein.“
Vielleicht wäre sie der Anweisung gefolgt, wenn er es dabei belassen hätte, aber er machte den Fehler, sie am Unterarm zu fassen. Suzanna entschied nicht mehr über das, was sie tat. Panik mischte sich in ihre Wut und beides schwappte über ihr zusammen wie aufgewühltes Wasser. Sie entriss ihm ihren Arm in einer Drehbewegung. Versuchte, nicht an die Pistole zu denken. Diesmal fand ihr Knie beim ersten Versuch das Ziel und quetschte ihm die Eier. Alec Junior grunzte vor Überraschung und Schmerz. Sie warf sich herum und riss am Türgriff ihres Wagens. Doch ihr Wachhund war schnell, zu schnell. Zwar gelang es ihr, sich in den Fahrersitz fallenzulassen, aber bevor sie die Tür schließen konnte, hatte er sie schon wieder am Arm gepackt. Wütend riss und zerrte er an ihr, doch sie krallte die Finger mit aller Kraft ums Lenkrad und rammte den Schlüssel ins Zündschloss. Als der Motor mit einem Grollen erwachte, schlug der Mann über ihren Körper hinweg den Gang raus und fasste ihren linken Arm, sodass sie den Schaltknüppel nicht mehr betätigen konnte.
„Verpiss dich endlich, Arschloch“, zischte sie zwischen den Zähnen hindurch. „Ich weiß nichts von euren Scheiß-Feen, ich will davon auch nichts wissen. Lasst mich in Ruhe!“
Sie biss ihm in den Arm, um die Hand freizubekommen. Er schrie auf. Im nächsten Moment jagte ein eisiger Schmerz durch ihren Kopf, grelle Lichter flackerten vor ihren Augen. Für einen Moment glaubte sie, er hätte geschossen, doch dann registrierte sie, dass kein Schuss zu hören war. Er hatte ihr die Waffe auf den Kopf geschlagen. Es reichte, um sie schwindelig zu machen. Wieder zerrte er ihr am Arm. Sie gab nicht auf, hielt das Lenkrad umklammert, als wäre es ihr Rettungsring. Da schlug er ihr die Waffe mit voller Wucht auf die Fingerknöchel. Suzanna hörte sich schrill schreien, noch ehe sie den Schmerz spürte. Ihre Hand schnappte auf wie eine geknackte Auster und Alec Junior zog sie aus dem Wagen und kümmerte sich kaum mehr um ihren zappelnden Widerstand. Sie schrie um Hilfe, so laut sie konnte, legte alle Wut in ihre Schreie. Eine Ohrfeige ließ sie lauter brüllen, zorniger. Der Mann schoss in den Boden, dicht neben ihren Fuß. Sie fühlte durch die nackten Sohlen das Zittern der Erde, als die Kugel eindrang. Schlagartig versagte ihr die Stimme.
„Schluss jetzt mit dem Theater“, befahl er atemlos. „Rein!“
Wider Willen ließ sie sich abführen, wiederholte einem Mantra gleich ihre Worte. „Ich hab damit nichts zu tun!“
Ob er ihr nicht glaubte oder ihn dies nicht interessierte, blieb ungesagt. Er gab keine Antwort. Er zwang sie, sich in der Küche auf einen Stuhl zu setzen und sah sich um. Dann nahm er den Wasserkocher, riss das Stromkabel vom Gerät und fesselte ihr damit die Hände auf dem Rücken, fixierte sie an der Lehne.
„So, und jetzt hör zu“, sagte er scharf und ließ sich auf den zweiten Stuhl sinken. Schweiß schimmerte auf seiner Stirn und dort, wo sie ihn gebissen hatte, sickerte ein wenig Blut durch den Ärmel seines Hemdes. „Mein Vater will diese Sache ein für alle Mal bereinigt haben. Er
Weitere Kostenlose Bücher