Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwanentanz

Schwanentanz

Titel: Schwanentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Francis
Vom Netzwerk:
den alten Kauz zu täuschen, um Brandon warnen zu können. Zwar war Alec in Begleitung zweier Männer aufgebrochen, aber den dritten Kerl, seinen Sohn, hatte er bei Suzanna zurückgelassen. Um sie zu schützen. Pah, das glaubte er doch selbst nicht. Mit süffisantem Grinsen saß der Mittvierziger an ihrem Küchentisch, trank ihren Kaffee und wurde es nicht leid, ihr spöttische Blicke zuzuwerfen, die wohl sexy wirken sollten. Alec Junior war nicht direkt hässlich. Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit George Clooney, einschließlich der graumelierten Schläfen. Marge hätte sich vermutlich gleich in seine Arme geworfen, aber Suzanna war immer schon der Ansicht, George Clooney sähe aus wie ein Zuhälter. Außerdem hatte dieser Mann etwas Böses in den blauen Augen. Vielleicht konnte man eine Kindheit im Heim nicht mit gesundem Geist überstehen, wenn alle Welt davon ausging, der eigene Vater hätte Mutter und Bruder getötet. Ihr Mitleid hielt sich allerdings in Grenzen, wozu die Beule an seinem Kreuz beitrug. Ganz sicher steckte dort eine Pistole im Hosenbund. Sie musste diesen Mann loswerden, und zwar schnell. Was, wenn Brandon herkam? Wenn dieser Mann so irre war wie sein Vater, würde er ihn glatt erschießen.
    „Wer sind die Männer, die Ihren Vater begleitet haben?“, fragte sie und kramte in den Küchenschubladen, als suchte sie einen Kaffeelöffel. Tatsächlich hielt sie Ausschau nach einer Waffe, die im Ernstfall hilfreicher war als das Brotmesser.
    „Die arbeiten halt so für ihn.“
    Sollte das heißen, das waren Söldner? Gar Killer? „Inwiefern?“, wagte sie, nachzuhaken. „Sind das … Leibwächter?“
    „Kann man so sagen.“
    Bingo. Ach du liebe Güte. Das Ganze nahm Ausmaße an, die ihr über den Kopf wuchsen. „Erstaunlich, dass er sich das leisten kann.“
    Alec Junior zog die Stirn kraus, sein Blick wurde düster. „Er wartet schon sein ganzes Leben auf die Gelegenheit, die Mörder meiner Mutter und meines Bruders zu überführen. Die Polizei hat ihn nur verhöhnt, daher musste er sich anderweitig Hilfe beschaffen. Er hat gelebt wie ein Bettler, um jeden Cent zu sparen.“
    Sie setzte sich dem Mann gegenüber. „Und Sie glauben diese Sache mit den Feen?“
    Er sah sie scharf an. „Meiner Mutter wurde die Kehle durchgeschnitten. Der ganze Raum war mit ihrem Blutbesudelt. Es tränkte die Kissen meines Vaters und mein Gitterbett. Das Schlafzimmer meiner Familie war ein Schlachthaus. Aber mein Vater und ich schliefen, wir wurden nicht einmal wach, als ihr Blut in unsere Gesichter spritzte. Kann ein menschlicher Mörder so was?“
    Suzanna schluckte schwer. Sie wollte nicht atmen, hatte das Gefühl, das Blut riechen zu müssen, wenn sie es tat. „Betäubungsmittel, vielleicht“, flüsterte sie. „Womöglich Gas.“
    „Die Polizei hat nichts gefunden. Nicht einmal einen Fingerabdruck.“
    „Die Forensik steckte damals noch in den Kinderschuhen. Wie lange ist es her? Vierzig Jahre?“
    Der Mann nickte und senkte den Blick. „Sie kommen aus der Stadt, Suzanna. Ich habe selbst lange in der Stadt gelebt. Da glaubt man automatisch an solche Dinge. Aber hier … hier ist das anders.“
    Sie musste sich eingestehen, dass er recht hatte. Trotz der wenigen Tage, die sie hier war, hatte sich ihre Bereitschaft, übernatürliche Dinge zu glauben, schon verändert. Ihr war, als weitete sich ihr Horizont, als wäre es hier in Irland möglich, vernünftig über Dinge nachzudenken, über die man in London nur lachen konnte. Auf seltsame Weise fühlte sie sich bereichert – ein komisches Gefühl, wenn man einem bewaffneten Mann gegenübersaß, der einen bewachte. Im Grunde war sie so etwas wie eine Geisel.
    „Haben Sie keine Angst um Ihren Vater?“, fragte sie kühl. „Wenn es wirklich Feen gibt, und er sie jagt, dann begibt er sich in Gefahr. Nach dem, was Ihrer Mutter geschehen ist, müssen sie sehr stark sein. Vielleicht rennt er gerade auf direktem Weg in sein Verderben.“
    Sie sah ihm sofort an, dass ihr Plan, den jungen Alec hinter dem alten herzuschicken, nicht aufging. Alec Junior lächelte müde. „Es wäre ein guter Tod für ihn. Er wird Frieden finden, wenn die Mörder meiner Mutter auch ihn töten. Er hat Jahrzehnte nach ihnen gesucht, damit sie dies tun. Der Wunsch nach Rache kam erst später.“
    Suzanna stand auf, um sich wegzudrehen. Sie füllte den Wasserkocher, um die Nase unbemerkt hochziehen zu können, solange das Wasser rauschte. Der alte Alec hatte nichts zu verlieren,

Weitere Kostenlose Bücher