Schwanentanz
geisteskranken Alec verriet, ohne zuvor mit ihm gesprochen zu haben.
„Wo finde ich ihn?“, beharrte der Alte.
„Ich weiß es wirklich nicht!“
Alec rieb sich übers Gesicht. „Muss ich Ihnen wohl glauben. Gut. Dann werde ich warten. Er wird wiederkommen.“
Oh nein, das kam überhaupt nicht infrage. Dieser alte Kauz würde sich nicht hier bei ihr einnisten und Brandon abfangen. Sie bezweifelte, dass Alec dem jungen Mann ernsthaft gefährlich werden konnte. Im Kampf würde Brandon ihn fertigmachen. Allerdings wusste sie nicht, was der Alte in seinen ausgebeulten Hosentaschen trug. So, wie das Gewicht die Jeans nach unten zog, könnten durchaus Pistolen darin sein.
„Warten Sie, Alec. Sie sagten, sie hätten einen Grund, die … Anderen zu hassen?“
Der Alte starrte die Dielen an, als läse er unsichtbare Antworten dort ab. „Den besten Grund, den ein Mann haben kann. Haben Sie Familie, Mrs. Williams? Einen Partner? Kinder?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Ich auch nich mehr. Haben die mir alles genommen. Und es so gedreht, als hätte ich Edda getötet und danach meinen Sohn und die kleine Leiche versteckt. Es gab keine Beweise, ich bin’s ja nich gewesen, also kam ich wieder frei, aber meinen großen Sohn haben die Behörden mir trotzdem weggenommen.“
Mitleid durchfuhr Suzanna. Wenn es wirklich so war, dass Feen Kinder raubten, wie Liz gesagt hatte, dann musste sie den Hass dieses Mannes verstehen. Trotzdem war die Sorge um Brandon in diesem Moment größer, und das lag nicht allein daran, was er mit ihrer Libido angestellt hatte. Hoffte sie. Nein, sie musste ihn warnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der alte Alec ein paar Schrauben locker hatte, war ungleich größer, als dass Brandon zu einem Feenmann geworden war, der Frauen meuchelte und kleine Kinder raubte.
„Mr. … ich meine Alec, ich weiß vielleicht doch, wo Sie den Mann finden. Er geht oft zu einem bestimmten Ort.“ Sie erhob sich. Ihre Beine fühlten sich noch taub an, aber sie kam ohne zu Schwanken zur Kommode, öffnete eine Schublade und nahm einen dreifach gefalteten Hochglanzprospekt heraus. „Kennen Sie diesen Wasserfall?“
„Sicher.“
„Er geht jeden Tag dorthin. Sie müssen nur auf ihn warten.“
Brandon drohten die Beine nachzugeben. „Das kann nicht sein.“ Er kniete neben dem Venuskelch nieder, hob die Blüte vorsichtig mit zwei Fingern. Der Kopf der Blume hing schlaff und tot herab. Ein Blütenblatt löste sich und fiel auf die feuchte Erde. Er starrte es an. „Wie konnte das passieren?“
„Du …“, stammelte Aiden, „hast den Tropfen nicht herausgenommen?“
„Nein. Ich wollte es tun, gestern. Aber Cara rief mich zu sich und ließ mich ihre Gemächer die ganze Nacht nicht verlassen.“
„Aber wer sonst …“
Trippelnde Schritte huschten heran. Brandon versuchte, die verblühende Pflanze hinter seinem Rücken zu verbergen, doch Dwyn hatte sie bereits entdeckt.
„Ach je!“, rief der Gnom aus und schlug beide Hände vor den Kopf. Seine Wangen röteten sich unter dem falschen Bart vor Aufregung. „Ach je, ach … ist es das, was ich glaubdenke?“
Aiden zog die Tür zu. Diesem Gespräch musste niemand lauschen. „Es war das, was du denkst. Sie ist zerstört, wie du siehst. Brandon hat …“
Der Gnom ließ ihn nicht ausreden. „Ach wie dummblöd von euch. Wie dumm. Wie blöddoof!“ Er bekam sich gar nicht mehr ein, raufte sich das Haar und riss Strähnen heraus. „So eine Chance. Und ihr Trolle habt sie verdorbensaut. Alles hinruiniert! Ich kann nicht glauben, was ihr …“
„Reg dich ab, Tinkerbell“, fuhr Brandon ihn scharf an. „Wir haben den Venuskelch nicht zerstört. Er ist verblüht, anders kann ich mir das nicht erklären.“ Oder jemand war eingedrungen und hatte den Tropfen gestohlen. Aber wer sollte das getan haben? Er war doch so vorsichtig gewesen.
„Ihr dummgarstigen Trolle, wisst ihr denn gar nichts?“ Dwyn seufzte und streichelte mit seiner kleinen Hand über den schlaffen Blütenkelch. „Sie braucht doch Sonne“, sagte er mit einem Bedauern in der Stimme, als wäre eine gute Freundin gestorben, statt einer Pflanze. „Blumen können unter der Erde nicht überleben. Sie brauchen Wind, Regen, Vogelsingen. Sie brauchen Sonne. Sonst verkümmerdorren sie.“
Aiden ließ das Gesicht in die Handfläche sinken. Er verbarg die Bewegung seiner Lippen, aber Brandon ahnte, was sein Freund gesagt hatte.
„So wie wir.“
Verdammt.
Es wäre auch zu einfach gewesen,
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