Schwangerschaft ist keine Krankheit
Nutzen der Behandlung des Schwangerschaftsdiabetes und es lieÃen sich keine Grenzwerte ermitteln (Landon et al. 2009).
Das IQWiG selbst weist darauf hin, dass es keine direkten Belege für den Nutzen des Screenings auf Schwangerschaftsdiabetes gibt, sondern lediglich indirekte Hinweise darauf.
Doch es kommt noch besser: Aus den Ergebnissen der oben genannten Studien heraus war es nämlich nicht möglich, klare Grenzwerte für die Laborwerte zu ermitteln. Diese Werte mussten nachträglich von einer Expertengruppe erarbeitet werden. Wie problematisch eine solche â letztlich willkürliche â Festlegung der Grenzwerte ist, zeigt eine aktuelle Studie aus den USA: Sie führte dazu, dass die Zahl der Schwangeren mit Gestationsdiabetes plötzlich von 2 bis 10 Prozent auf 18 Prozent aller Schwangeren anstieg (Gabbe et al. 2012)!
Fazit: Die Behandlung des Schwangerschaftsdiabetes kann nur einen recht umschriebenen Nutzen vorweisen. Auf mütterliche und kindliche Todesfälle hat er gar keinen Einfluss. Dies bestätigt auch eine aktuelle Studie der renommierten Cochrane-Datenbank (Tieu et al. 2010).
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Ich frage mich: Wird dieser Test nicht massiv überbewertet? Stehen der Aufwand für die Untersuchungen, die Beunruhigung und Ãber-Kontrollierung der Frauen tatsächlich in einem sinnvollen Verhältnis zur Aussagekraft des Tests? Ich denke nein.
Die Dramatisierung durch Fachgesellschaften
Ganz anders stellen das die Fachgesellschaften in der S3-Leitlinie »Gestationsdiabetes, Diagnostik, Therapie und Nachsorge« dar, die im September 2011 veröffentlicht wurde (AWMF-Leitlinie Nr. 057/008). Hier werden Risiken über Risiken betont:
⢠Als mütterliche Risiken bei einem Schwangerschaftsdiabetes werden Bluthochdruck, Harnwegsinfekte, Schwangerschaftsvergiftung und das vermehrte Auftreten von Frühgeburten aufgeführt.
⢠Die Babys haben das Risiko, übermäÃig groà geboren zu werden. Deswegen seien häufiger Kaiserschnitte notwendig.
⢠Darüber hinaus wird angegeben, dass die Neugeborenen »mitunter« unter einem Atemnotsyndrom, Unterzuckerung und Trinkschwäche leiden.
Wenn Sie einen Schwangerschaftsdiabetes haben, wird ein enges Ãberwachungskorsett für Sie geschneidert â selbstverständlich müssen Sie dabei von speziell ausgebildeten Diabetologen betreut werden. Es gibt Ernährungstabellen, Tabellen Ihrer empfohlenen Gewichtszunahme, regelmäÃige Blutzuckerselbstkontrollen, Blutzuckerkontrollen durch den Diabetologen, gegebenenfalls eine Behandlung mit Insulin, Vorgaben für die »Therapiesteuerung« sowie regelmäÃige Ultraschallmessungen des Babys. All das erinnert mich an einen straff organisierten »Schwangerenvollzug«.
Zu guter Letzt liefern die Diabetologen Hochrechnungen, wie hoch der zukünftige Betreuungsbedarf für schwangere Frauen wie Sie sein wird. Als Basis geben sie die steigende Zahl von Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes an â und wenn man die Grenzwerte nochmals ändert, werden diese Zahlen vermutlich noch mehr ansteigen. Eines ist klar: Die diabetologischen Praxen jedenfalls werden durch diese Leitlinie gefüllt werden.
Auf einem Symposium über »Gestationsdiabetes â Gewicht â Bewegung« im Dezember 2011 in München war von der »Brisanz des Themas« die Rede (www.krankenpflege-journal.de). Man spricht vom Vorliegen eines Gestationsdiabetes bei 6,6 Prozent aller Schwangeren und von der berühmten Dunkelziffer, die in derlei ausbaufähigen Situationen gerne bemüht wird. Man gibt an, dass 14 Prozent der Schwangeren mit Gestationsdiabetes Insulin spritzen müssen und 60 Prozent dieser Frauen nach drei Jahren an Typ-II-Diabetes erkranken. Die Dramatisierung des Themas Schwangerschaftsdiabetes nimmt ihren Lauf.
Kann das Screening auf Schwangerschaftsdiabetes schaden?
Die offizielle Antwort lautet: Nein (IQWiG S07-01). Die Autoren der IQWiG-Studie begründen dies damit, dass auch bei Gesunden eine Diät und sogar die Insulinbehandlung nicht schädlich seien.
Ich hingegen bin überzeugt, dass Frauen durch unnötige Kontrolluntersuchungen, Ãberdiagnostik und Gängelei bezüglich ihres Körpergewichts gestört, verängstigt und verunsichert werden können.
Insbesondere die Behandlung des Schwangerschaftsdiabetes ist eine Belastung für werdende Mütter. In der Zeitschrift Der
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