Schwangerschaft ist keine Krankheit
Beide wurden spontan geboren und waren normalgewichtig. Doch in der dritten Schwangerschaft sei leider alles ganz anders, berichtete sie mir. Ihre Frauenärztin hatte sie eingehend beraten und empfehle allen Frauen zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche einen Blutzuckerbelastungstest. Dies sei sehr wichtig für das Wohl von Mutter und Kind.
In Andreas Familie hatten zwar weder die Eltern noch andere Verwandte einen Diabetes mellitus und sie selbst war normalgewichtig und sportlich. Es bestanden also insgesamt keine Risikofaktoren für erhöhte Blutzuckerwerte. Da sie aber nichts Wichtiges versäumen wollte, hatte sie sich zum Zeitpunkt von 24 Schwangerschaftswochen in der Frauenarztpraxis zum Zuckerbelastungstest vorgestellt. Bereits seit dem Vorabend um 20 Uhr musste sie dafür nüchtern sein, in der Zwischenzeit durfte sie ausschlieÃlich Wasser trinken. Um 8 Uhr ging es los mit dem Test. Es wurde eine Nüchternblutprobe aus der Vene entnommen, anschlieÃend gab es 300 Milliliter einer sehr süà schmeckenden Zuckertestlösung zu trinken. Jeweils nach einer und nach zwei Stunden wurde erneut eine venöse Blutprobe entnommen. Das Blut wurde in ein Labor geschickt. Tags darauf erhielt Andrea einen Anruf von ihrer Frauenärztin: Der Test sei nicht in Ordnung, man müsse sie für weitere Untersuchungen zu einem Facharzt für Diabetologie überweisen.
Zu diesem Zeitpunkt war sie schon ziemlich in Sorge. Diese verstärkte sich durch den Besuch beim Diabetologen. Man nahm erneut Blut ab, verschrieb ihr ein Blutzuckermessgerät zur Selbstkontrolle, und sie sollte ein BlutzuckÂertagebuch führen. Zunächst musste sie dreimal täglich ihren Blutzuckerwert messen. AuÃerdem wurde eine ausführliche Ernährungsberatung und  -schulung durchgeführt. Ab jetzt hieà es: tägliches Wiegen, kohlenhydratarme Kost und regelmäÃige Kontrollen beim Facharzt. Falls die Werte sich nicht bessern sollten, müsse man gegebenenfalls eine Insulinbehandlung beginnen, so der Diabetologe. Jetzt fühlte Andrea sich richtig krank.
Als sie wieder einen Termin bei der Frauenärztin hatte, teilte diese ihr mit, dass bei ihr jetzt eine Risikoschwangerschaft vorläge. Häufig seien die Kinder von Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes übergewichtig. Das habe negative Konsequenzen für die Geburt. Eine Mitbetreuung durch die nahe gelegene Frauenklinik sei erforderlich, insbesondere müsse ab jetzt immer wieder eine spezielle Ultraschalluntersuchung, eine Dopplersonografie, erfolgen. Damit würde die Durchblutung der kindlichen BlutgefäÃe und des Mutterkuchens gemessen.
Das war erneut eine sehr beunruhigende Nachricht für Andrea. Hinzu kam das organisatorische Problem, wie sie ihre Kinder versorgen und zugleich regelmäÃig Blutzucker messen sowie all die Termine wahrnehmen sollte. Der Alltag veränderte sich. Die Nahrungsaufnahme erfolgte genau geregelt und kohlenhydratorientiert, sie hetzte von Termin zu Termin und ihre einstmals heitere Grundstimmung hatte sich in einen ängstlich-beunruhigten, von Blutzucker- und anderen Messwerten abhängigen inneren Zustand gewandelt.
Die Wochen vergingen, bei den Ultraschallmessungen wurde wiederholt festgestellt, dass der Bauchumfang des Kindes zu groà war, und auch die Fruchtwassermenge war erhöht. Alle anderen Werte waren zufriedenstellend, eine Insulinbehandlung war nicht erforderlich. Anstelle der 14 im Mutterpass vorgesehenen Untersuchungstermine hatte Andrea 26 Untersuchungstermine bei der Frauenärztin â die Termine beim Diabetologen nicht eingerechnet. Ihre Schwangerschaft war eine dauerüberwachte, kontrollierte Schwangerschaft.
Mit 39 Schwangerschaftswochen, also eine Woche vor dem Geburtstermin, setzten die Wehen ein und es kam zur spontanen Geburt. Ein gesundes Mädchen kam zur Welt. Es wog bei der Geburt 3 680 Gramm und heiÃt Anna. Anna war normalgewichtig und vital, alle Werte waren gut. Andrea und ihr Ehemann waren überglücklich.
Doch dann sollte das Baby wegen der erhöhten mütterlichen Blutwerte von Kinderärzten überwacht werden, weil bei solchen Kindern häufiger Neugeborenenkrämpfe und Unterzuckerung auftreten. Das dämpfte die Freude wieder ein wenig, Besorgnis kam auf. Andrea und ihr Mann wollten das Beste für Anna und hofften, dass ihr Baby sich gut an die neuen Lebensbedingungen anpassen
Weitere Kostenlose Bücher