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Schwangerschaft ist keine Krankheit

Schwangerschaft ist keine Krankheit

Titel: Schwangerschaft ist keine Krankheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jael Backe
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Pulsatilla (Küchenschelle) gegen Stimmungsschwankungen, Nux vomica (Brechwurz) gegen Übelkeit und Erbrechen oder Bryophyllum (Brutblätter) gegen vorzeitige Wehentätigkeit. Etwa 70 Prozent der schwangeren Frauen nehmen während der Schwangerschaft homöopathische Mittel ein. Auch die Bach-Blüten-Therapie ist sehr beliebt und ebenso die Moxibustion – eine Therapie, bei der kleine Mengen Beifuß an bestimmten Körperpunkten abgebrannt werden. Das soll zum Beispiel dazu dienen, das Baby im Mutterleib zu wenden, wenn es in Steißlage liegt.
Die Frage nach dem Wirknachweis
    Was kommt heraus, wenn man alternativmedizinische Methoden einer wissenschaftlichen Überprüfung unterzieht? Die Wissenschaftlerin Helen Hall von der Monash Universität in Australien veröffentlichte kürzlich mehrere Untersuchungen, in denen sie die weite Verbreitung komplementär- und alternativmedizinischer Methoden bei Hebammen bestätigte (Hall et al. 2012). Am häufigsten angewendet wurden
• Massagen,
• Kräuterbehandlungen,
• Entspannungstechniken,
• Nahrungsergänzung,
• Aromatherapie,
• Homöopathie und
• Akupunktur.
    Das Ergebnis dieser und weiterer Untersuchungen der Wissenschaftlerin: Derzeit gibt es nur sehr spärliche Erkenntnisse über den Nutzen oder den potenziellen Schaden der angewendeten Methoden. Genauer gesagt gibt es bislang überhaupt keine Wirknachweise und auch keine Angaben zur Sicherheit dieser Verfahren, auch wenn sie teilweise als angenehm empfunden werden. Einzelne Mittel wie Rizinusöl und Nachtkerzenöl stuft Hall sogar als gesundheitlich bedenklich ein (Hall et al. 2011).
    Die Autorin ruft die Hebammen eindringlich auf, die verwendeten Mittel gut zu dokumentieren und nur Ratschläge zu geben, die wissenschaftlich solide begründet sind.
    In Deutschland befassten sich André-Michael Beer und Thomas Ostermann von der Universität Herdecke mit dem Einsatz der klassischen Naturheilkunde und der Komplementärmedizin in deutschen Geburtskliniken (Beer 2003). Sie schrieben 1054 deutsche Geburtskliniken an, erhielten 481 Antworten und ermittelten, dass 95 Prozent der Kliniken Akupunktur anwenden und 83 Prozent homöopathische Behandlungsformen praktizieren.
    Häufig werden diese Verfahren eingesetzt, um eine vermeintlich ganzheitliche, natürliche, nebenwirkungsarme Betreuung der Schwangerschaft zu erreichen. Viele Krankenhäuser wollen sich aber mit dem naturheilkundlichen Etikett auch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Kliniken sichern. Als »Anbiederung an den Zeitgeist« könnte man einen solchen unreflektierten Einsatz alternativmedizinischer Vorgehensweisen bezeichnen. Orientierungs­los kann man es nennen, wenn selbst Universitätskliniken, die eigentlich der wissenschaftlich belegbaren Medizin verpflichtet sein sollten, diese alternativ- und komplementärmedizinischen Praktiken unbedacht in ihr Behandlungsrepertoire übernehmen.
    Betrachtet man, wie wenig über die Wirkungsweise und auch über die möglichen schädlichen Auswirkungen dieser Heilmittel bekannt ist, sind Zweifel an dieser Vorgehensweise angebracht.
Globuli als Zuwendungsersatz
    Ein weiterer Aspekt, den ich selbst aus der Betreuung schwangerer Frauen kenne, scheint mir von Bedeutung. Schwangere Frauen wie Sie haben zahlreiche Körperempfindungen und Symptome, die häufig keinen wirklichen Krankheitswert haben, aber doch belastend sind. Dazu gehören unter anderem Ziehen, Stechen und Druckgefühle im Bauch, hartnäckige Verstopfung, Schwindelgefühle, Ohnmachtsanfälle, Übelkeit, Schlafstörungen, Druck auf die Harnblase, Sodbrennen und Probleme mit Krampfadern.
    Für die meisten dieser Schwangerschaftsbeschwerden gibt es keine Heilmittel, sondern nur Ratschläge zur Lebensführung, Verhaltenshinweise, Informationen zur Ernährung oder zum Trinkverhalten. Manchmal ist »nur« ein beruhigendes Gespräch nötig, in dem der Arzt zeigt, dass er die Symptome ernst nimmt, ihre Ursachen erklärt und auf ihre Ungefährlichkeit hinweist.
    Warum spüre auch ich als Ärztin dann gelegentlich die Versuchung, Globuli mitzugeben, wenn eine Schwangere einen hohen Leidensdruck hat? Ganz einfach: Diese Kügelchen sind geniale kleine Hoffnungsträger für die Schwangere. Es ist für den Arzt ein gutes, entlastendes Gefühl, etwas Materielles, ein Medium

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