Schwangerschaft ist keine Krankheit
der Geburt notwendig werden. Demnach sind also auch rein medizinische Gründe für die Zunahme der Kaiserschnitte maÃgeblich.
Vor allem »schlechte kindliche Herztöne« sowie ein verzögerter Geburtsverlauf und ein Geburtsstillstand sind für die Zunahme der sekundären Kaiserschnitte verantwortlich, so die sogenannte GEK-Kaiserschnittstudie (Lutz und Kolip 2006). Ein weiterer Grund ist, dass kindliche und mütterliche Komplikationen unter der Geburt immer besser festgestellt werden können. Die stetige Zunahme auch der sekundären Kaiserschnitte wird zudem auf eine gesunkene Toleranzschwelle der Schwangeren auf der einen Seite und der Geburtshelfer auf der anderen Seite zurückgeführt. Insbesondere die Geburtshelfer stehen unter dem enormen haftungsrechtlichen Druck, einer mütterlichen und kindlichen Schädigung vorbeugen zu müssen. Sogenannte Kunstfehlerprozesse drohen aber immer nur wegen zu spät vorgenommener Kaiserschnitte und nie, weil ein Kaiserschnitt zu früh oder unnötigerweise durchgeführt wurde.
Jeder dritte Geburtshelfer gab in einer Befragung an, aus Angst vor einem Kunstfehlerprozess die Indikation zum Kaiserschnitt schneller zu stellen, als es seiner fachlichen Einschätzung nach erforderlich wäre (Kühnert 2000). Die Schadenssummen in derartigen geburtshilflichen Haftungsfällen betragen bis zu 2 Millionen Euro (Dierks 2001).
Fazit: Als Arzt ist derjenige auf der sicheren Seite, der früh genug Risikosituationen erkennt und früh- bis rechtzeitig einen Kaiserschnitt durchführt.
Bei Frauen, die sich bereits sehr frühzeitig in der Schwangerschaft für einen geplanten Kaiserschnitt entscheiden, war laut der Studie häufig bereits ein Kaiserschnitt in der Vorgeschichte durchgeführt worden (Lutz und Kolip 2006). Dieser war dann der Grund für die Entscheidung zum erneuten Kaiserschnitt. Da immer mehr Frauen Kaiserschnitte erleben und der Zustand nach Kaiserschnitt wiederum eine Indikation zum Kaiserschnitt ist, bedingt sich dieses Ereignis in zunehmendem Ausmaà selbst. AuÃerdem gibt es bei den Frauen mit frühem Kaiserschnitt-Wunsch häufiger eigene vorbestehende körperliche oder seelische Grunderkrankungen.
Frauen, die erst im Verlauf der Schwangerschaft einen Kaiserschnitt anstreben, haben häufiger ein Baby, das in SteiÃlage liegt, oder es liegen mütterliche Erkrankungen vor. Die Angst vor dem Geburtsschmerz und die Planbarkeit des Kaiserschnitts haben dagegen eine eher untergeordnete Bedeutung für die Entscheidung zum Kaiserschnitt.
Eine groÃe Rolle spielt das zunehmende Alter der werdenden Mütter, denn ältere Mütter haben häufiger Kaiserschnitte als jüngere (Peipert et al. 1993, Ritzinger 2006). Auch Kinder, die durch künstliche Befruchtung gezeugt werden (etwa 2 Prozent aller Geburten), kommen häufiger per Kaiserschnitt zur Welt (Dhont et al. 1999). Weiterhin tragen die Ergebnisse der vorgeburtlichen Diagnostik zur erhöhten Kaiserschnittrate bei, denn kindliche Fehlbildungen wie beispielsweise schwerwiegende Herzfehler können sicherer feststellt werden. Gleiches gilt für kindliche Lageanomalien wie die SteiÃlage, die heute kaum mehr spontan, sondern vorwiegend operativ durch Kaiserschnitt entbunden werden.
Fazit: Die Gründe für steigende Kaiserschnittraten sind äuÃerst vielfältig. Die Zunahme der Kaiserschnitte kann keineswegs nur auf die steigende Anzahl von Wunsch-Kaiserschnitten zurückgeführt werden.
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Wer will den Wunsch-Kaiserschnitt? Die »Kaiserschnitt-Society«
Am 10. November 2011 betitelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen Artikel »Schwangere wünschen Geburt am 11.11.2011«. Darin berichtete sie über eine »verstärkte Nachfrage« nach geplanten Kaiserschnitten an diesem besonderen Datum. Derartige Kaiserschnitte sind Wunsch-Kaiserschnitte im eigentlichen Sinne, also chirurgische Eingriffe ohne jegliche medizinische Indikation. (dapd 2011)
Die Regenbogenpresse berichtete seinerzeit über die »Kaiserschnitt-Society« (Quassowsky et al. 2008), also über prominente Frauen, die durch Kaiserschnitt entbunden haben. Victoria Beckham plante die Kaiserschnitt-geburten ihrer Kinder so, dass sie zwischen zwei FuÃballspielen ihres Ehemannes geboren werden konnten. Sie wurde von der britischen Presse deswegen kritisch als »too posh to push«, »zu fein zum Pressen«,
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