Schwangerschaft ist keine Krankheit
für Schwangere erfüllen vielfältige Funktionen. Sie
⢠sind eine Gelegenheit zum Lernen,
⢠bieten einen Familienersatz,
⢠stellen einen lukrativen Beratungsmarkt für selbst ernannte Experten dar,
⢠dienen als Mittel zur Entmündigung der beratenen Frauen.
Was sagen wissenschaftliche Untersuchungen dazu?
Eine fundierte Untersuchung der Cochrane Collaboration ergab, dass die Teilnahme an Geburtsvorbereitungskursen keinen nachweislich positiven Einfluss auf den Geburtsverlauf hatte (Gagnon 2000). Das gilt auch für das Ausmaà schwangerschaftsbezogener Ãngste â diese konnten in einer Untersuchung von Geissbühler et al. (2005) durch Geburtsvorbereitungskurse nicht vermindert werden. In einer schwedischen Studie wiesen Fabian und Mitarbeiter (Fabian et al. 2005) nach, dass Frauen, die einen Geburtsvorbereitungskurs besucht hatten, häufiger eine Schmerzlinderung durch Regionalanästhesie in Anspruch nahmen als Frauen, die an keinem derartigen Kurs teilgenommen hatten. Offensichtlich kann durch die Art der Informationsvermittlung in geburtsvorbereitenden Kursen auch Angst ausgelöst werden. So hatte es Anette S. im eingangs geschilderten Beispiel erlebt.
Professionelle Dienstleistung
Das diesem Kapitel vorangestellte Zitat von Barbara Duden bemängelt die »durchprofessionalisierte Körperbetreuung« der heutigen Schwangerschaften. Es fasst damit vortrefflich zusammen, wie die Schwangerschaft in die Zuständigkeit professioneller medizinischer Dienstleistungsberufe abdriftet. Barbara Duden sah hier nur »den Arzt« und »die Mediziner« als die »Buhmänner«. In meinen Augen gehören neben den Ãrzten auch die anderen Berufsgruppen dazu, die sich beruflich mit Schwangeren wie Ihnen befassen. Dazu gehören Physiotherapeuten, Psychologen, Osteopathen, Ernährungsberater und Heilpraktiker, vor allem aber Hebammen. Sie alle befördern Frauen in eine medizinische Abhängigkeit. Sie bringen den Schwangeren bei, wie sie ihre Schwangerschaft zu erleben haben. Barbara Duden spricht in diesem Zusammenhang von einer »Medikalisierung auch des Erlebens«. (Duden 2002a)
Fazit: Um die schwangere Frau haben sich heute komplette professionelle Teams geschart. Ivan Illich hat bereits Ende der 1970er-Jahre vorgeschlagen, die Mitte des 20. Jahrhunderts als »Epoche der entmündigenden Expertenherrschaft« zu bezeichnen. Er spricht davon, dass das Leben bereits im Kindergartenalter von Expertenteams aus Logopäden, Allergologen, Kinderpsychologen, Ergotherapeuten und vielen mehr bestimmt werde, und bezeichnet dies als einen »Zusammenschluss zu einem pädokratischen Team« (Illich 1979). Was würde er erst heute, knapp 35 Jahre später, zu unserer Medizin sagen? Wir können heute meiner Ansicht nach analog zu Illich für die Schwangerschaft von der Gefahr einer Entmündigung durch ein »gynokratisches Team« sprechen.
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Die »Globulisierung« der Schwangerschaft
Die »Globulisierung des KreiÃsaals« lautete neulich der plakative Titel eines Zeitungsartikels. Er befasst sich kritisch mit dem Einsatz von Homöopathie, Aromatherapie, Akupunktur und »alternativen Therapien« in der Schwangerenvorsorge und Geburtshilfe (Herrmann 2011). In Abwandlung dieser Ãberschrift können wir derzeit von einer »Globulisierung der Schwangerschaft« sprechen. Denn schwangere Frauen werden während der Schwangerschaft ja nicht nur von Frauenärzten betreut, sondern suchen zu einem groÃen Teil die zusätzliche Begleitung durch Hebammen.
Dieser Berufsstand bemüht sich zwar auf der einen Seite seit Neuestem darum, »evidenzbasierte Hebammenarbeit« zu leisten â so ist es im Lehrbuch des Bundes Deutscher Hebammen nachzulesen. Gleichzeitig gibt es aber auch ein sehr groÃes, komplett gegensätzlich orientiertes Lager unter den Hebammen: die intuitiv-erfahrungsmedizinischen Gruppierungen. Sie neigen zur Esoterik und belächeln schulmedizinische Methoden und Forschungsergebnisse. Als Gegnerinnen des Impfgedankens bedrängen sie unzählige Frauen mit wissenschaftlich unhaltbaren impffeindlichen Theorien.
Diese Hebammen brauchen keine Wissenschaft zum Erkenntnisgewinn. Sie verstehen sich als »weise Frauen«, die über altes Heilwissen verfügen und dieses an die Frau bringen. Dies äuÃert sich zum Beispiel in der Gabe homöopathischer Globuli wie
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