Schwartz, S: Blutseelen 2: Aurelius
fühlte sich herrlich an.
Aurelius' Stimme lag über dem Wasser. „Hört nicht auf die Verächter. Sie sagen, die Welt sei eine Hure. Ich sage euch, genießt die Welt. Genießt das Leben, denn es ist kurz. Für manche mag das Leben nur eine Brücke sein, auf der sie kein Haus bauen wollen. Ich aber sage euch, ehrt die alten Götter, die unsere Erde lieben und die Lust und Macht kennen. Dient eurer Lust, und ihr werdet das Leben erkennen, das erst durch den Tod seine wahre Bedeutung erlangt.“
Sie schloss die Augen und war ganz Hingabe. Die fremden Hände strichen über ihren Körper. Immer lauter wurde ihr Stöhnen, die Stöße ihres jungen Liebhabers immer heftiger. Sie waren ganz Trance und Ekstase, so, wie es sein sollte.
Als sie die Augen blinzelnd öffnete, sah sie, dass auch die Menschen am Ufer sich endlich bewegten. Männer und Frauen liebkosten einander, standen eng umschlungen. Einige legten ihre Kleider ab, um auf ihre Art ebenfalls am Ritual teilhaben zu können. Andere griffen nach Amphoren und Tonkrügen mit schwerem Wein und opferten der Göttin, indem sie symbolisch ihr Blut tranken.
Der junge Mann in ihr kam zuckend und stöhnte laut auf. In seine dunklen Augen trat Furcht, als er sich bewusst wurde, dass er vor ihr gekommen war. Sie lachte auf und winkte den zweiten Mann heran, während der erste blass von ihr fortstolperte, zurück ans rettende Ufer.
Aurelius ließ sich noch immer von der Frau lecken und zeigte dabei nur wenige Anzeichen von sexuellem Vergnügen. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er sich zusammenriss, in Wirklichkeit aber ekstatisch erregt war. Bald würden sie ihre Spielzeuge laufen lassen und sich ganz einander widmen. Sie waren füreinander bestimmt, und auch wenn es Tage gab, an denen sie ihr Schicksal verfluchten, gehörten sie doch zusammen.
Er zog die Frau aus dem Wasser, tauchte nun seinerseits hinab und liebkoste sie. Es dauerte nicht lange, bis ihre spitzen Lustschreie die Nacht durchdrangen. Wieder regte sich Neid in ihr. Sie ließ den zweiten Mann gewähren, der sie zwar ansprach, ihr aber nicht geben konnte, was Aurelius ihr gab. Nur seine Stöße konnten das volle Ausmaß ihrer Lust entfachen. Alles andere war wie eine himmlische Vorspeise. Als es ihrem zweiten Liebhaber gekommen war, entließ sie ihn, und auch Aurelius schickte seine Gespielin fort.
Endlich gehörten sie wieder ganz einander, und ihre entfachte Lust sprang auf die Menge über. Bald schon stand am Ufer niemand mehr. Jara nahm es nicht wahr. Sie war ganz bei ihm, drehte sich auf Hände und Schienbeine und bot sich ihm dar. Er zögerte nicht und schon der erste Stoß schickte eine Welle der Lust durch ihren erregten Körper, die so stark war, wie sie es seit Wochen nicht gefühlt hatte. Sie war Wachs in seinen Händen, und sie wollte von ihm geformt werden. Auch er stöhnte auf, als er erneut von hinten in sie glitt, und sie wusste, dass ihre Faszination auf ihn ungebrochen war. Gemeinsam würden sie sich eines Tages noch um den Verstand vögeln. Aber vielleicht war das der beste Dienst an der Göttin.
Sie lachte laut, riss die Augen auf und erstarrte. Tintige Schwärze senkte sich über die Welt, und am fernen Ufer des Nils sah sie eine Frau stehen. Obwohl diese Frau viel zu weit entfernt war, konnte sie das Gesicht erkennen: Laira. Dort stand Laira und ihre Sternaugen verfluchten, was sie sahen.
„Nein“, keuchte sie auf und konnte doch den Orgasmus nicht zurückhalten, der sie überfiel und wilde Zuckungen in Aurelius' Griff auslöste. Sie schrie ihre Lust hinaus, während sich ihr ein Bild aufdrängte. Das Bild eines hübschen, rothaarigen Mädchens. Eigentlich war es eine junge Frau mit langen Haaren, die eine sonderbare Gewandung trug. Die Frau hieß Amalia, und das Blut, das aus ihrem Hals troff, kündigte ihr Ende an.
„Laira“, sagte Aurelius erstickt, als es auch ihm kam. Es war kein Ausdruck von Freude oder Erregung. Er hatte Laira gesehen, so wie sie die sterbende Amalia gesehen hatte.
Erinnerung durchzuckte sie, und der Sternenhimmel über ihr verblasste. Sie war Amalia, die Sterbende, nicht Jara. Sie sah Aurelius' größte Angst: ihren Tod. Und sie hatte ihre eigene größte Angst erkannt, die sie bis dahin nicht einmal hätte benennen können: Laira. Laira war ihre größte Furcht.
Sie tauchten zurück in die Gegenwart. Warmes Wasser umspielte sie. Aurelius' Augen wirkten Schwarz, seine Pupillen waren riesig.
„Laira“, flüsterte er. „Warum fürchtest du
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