Schwarz-Indien
III. ausgefertigte Concession zum Abbau der »Meerkohle«. Gegen Ende desselben Jahrhunderts geschieht auch schon der Kohlenfelder von Schottland und des Districtes von Galles Erwähnung.
Zu jener Zeit stiegen die Vorfahren Simon Ford’s zuerst in die Eingeweide der caledonischen Erde hinab, um dieselben vom Vater auf den Sohn niemals wieder zu verlassen. Alle waren nur einfache Arbeiter und fast wie Galeerensklaven an den Abbau der Kohlen gefesselt. Man huldigt sogar der Anschauung, daß die Bergleute der Kohlenminen, ebenso wie die Salzsieder jener Zeit, wirklich Sklaven gewesen seien. Noch im achtzehnten Jahrhundert war diese Ansicht in Schottland so verbreitet, daß man während des Krieges der Prätendenten fürchtete, es könnten sich die zwanzigtausend Bergleute von Newcastle empören, um eine Freiheit zu erringen – die sie nicht zu besitzen glaubten.
Doch wie dem auch sei, jedenfalls zählte sich Simon Ford mit einem gewissen Stolze zu den Kohlenbergleuten Schottlands. Er hatte mit eigener Hand ebenda gearbeitet, wo seine Vorfahren einst Haue, Zange und Axt handhabten. Mit dreißig Jahren schon schwang er sich zum Obersteiger der Grube Dochart, der bedeutendsten unter den Werken von Abersoyte, empor und versah lange Jahre hindurch seinen Dienst mit unermüdlichem Eifer. Nur der eine Kummer bedrückte ihn, daß die Kohlen führenden Schichten ärmer wurden und eine vollständige Erschöpfung in nahe Aussicht stellten.
Eifrig widmete er sich der Aufsuchung neuer Adern in allen Gruben von Abersoyte, welche ja in unterirdischer Verbindung standen, und hatte auch das Glück, im Laufe der letzten Betriebsjahre einige solche zu entdecken. Sein bergmännischer Instinct leistete ihm hierbei die besten Dienste, und der Ingenieur James Starr wußte ihn recht wohl zu schätzen. Man könnte sagen, er prophezeite fast die Kohlenadern in der Tiefe, wie das Hydroskop etwa die Quellen unter dem Erdboden verräth.
Doch, wie gesagt, es kam die Zeit, da es mit den Vorräthen der Kohlengrube zu Ende ging. Alle Sondirungen ergaben nur negative Resultate. Die Adern waren ihres Inhaltes total entleert. Der Betrieb stockte. Die Bergleute verschwanden.
Sollte man wohl glauben, daß das für den größten Theil derselben ein wahrhaft erschütterndes Ereigniß war? Wer da weiß, daß der Mensch im Grunde die gewohnte Noth und Sorge liebt, wird darüber weniger erstaunen. Simon Ford ging es vor Allen tief zu Herzen. Er, ein Bergmann durch und durch, hing mit tausend Ketten an seiner Grube. Seit seiner Geburt hatte er sie bewohnt und wollte sie auch nach Einstellung der Arbeiten nicht verlassen. Er blieb also. Sein Sohn Harry besorgte alle Bedürfnisse des unterirdischen Haushaltes, er selbst aber war in zehn Jahren kaum zehnmal an das Tageslicht gekommen.
»Da hinauf gehen? Was soll ich dort oben?« pflegte er zu sagen, und verließ so gut wie niemals sein dunkles Heim.
In dieser im Uebrigen ganz gesunden Umgebung mit ihrer immer gleichmäßigen Temperatur fühlte der alte Obersteiger weder etwas von der Hitze des Sommers, noch von der Kälte des Winters. Auch die Seinigen befanden sich wohl dabei. Was konnte er weiter wünschen?
Eigentlich war er aber doch recht betrübt. Er sehnte sich zurück nach dem Leben und der Bewegung, welche früher in dem so eifrig betriebenen Werke herrschten. Dabei trug er sich immer mit einer gewissen fixen Idee.
»Nein, nein, wiederholte er sich hartnäckig, die Grube ist noch nicht erschöpft!«
Jedermann wäre gewiß schlecht angekommen, der in Gegenwart Simon Ford’s hätte in Zweifel ziehen wollen, daß das alte Abersoyte doch noch einmal von den Todten auferstehen könne. Noch niemals hatte er die Hoffnung aufgegeben, ein neues Kohlenflötz zu entdecken, das der Grube wieder ihre frühere Bedeutung verleihen werde. O, im Nothfalle hätte er gern selbst Haue und Schlägel wieder in die Hand genommen und seine alten, aber noch immer kräftigen Arme hätten sich an dem harten Felsen versucht. So durchstreifte er, theils allein, theils mit seinem Sohne, die weiten Stollen und Gänge, forschte und suchte, um einen Tag wie den anderen ermüdet, aber nie verzweifelt, nach seiner Cottage zurückzukehren.
Seine würdige Lebensgefährtin war die große und starke Madge,
»the good wife
«, die »gute Frau«, wie die Schotten zu sagen pflegen. Ebensowenig wie ihr Gatte hatte Madge die Grube verlassen wollen. Sie theilte nach jeder Hinsicht dessen Hoffnungen und Bekümmernisse. Sie ermuthigte ihn,
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