Schwarz-Indien
Uebernatürlichen. Er schuf sich seine Lieder aus jenen phantastischen Geschichten, mit deren Vortrag er an den langen Winterabenden den lautesten Beifall seiner Zuhörer gewann.
Jack Ryan war aber nicht allein so abergläubisch. Seine Kameraden bestätigten alle, daß es in den Gruben von Abersoyte nicht geheuer sei und sich hier, ganz wie in den Hochlanden, häufig geisterhafte Wesen zeigten. Wenn man die Leute so sprechen hörte, mußte man fast an ihre Erzählungen glauben. Es giebt ja für Gnomen, Berggeister und Gespenster aller Art kaum eine geeignetere Stätte als die dunkle, stille Tiefe eines Bergwerkes. Hier war die Scene für sie vollständig eingerichtet, warum sollten die übernatürlichen Personen versäumen, daselbst ihre Rolle zu spielen?
Das war wenigstens der Gedankengang bei Jack Ryan und seinen Kameraden in den Werken von Abersoyte. Wie erwähnt, hingen die verschiedenen Gruben alle durch lange Stollen untereinander zusammen. Der große, von Tunneln durchsetzte und von Schächten durchbohrte Untergrund der Grafschaft Stirling bildete also eine Art Hypogäon, ein unterirdisches Labyrinth, das einem ungeheuren Ameisenbaue ähnelte.
Die Bergleute der verschiedenen Schächte begegneten sich häufig, wenn sie sich zur Arbeit begaben oder von dieser zurückkehrten. Sie konnten ihre Erlebnisse alle leicht einander mittheilen, und so pflanzten sich die Märchen aus dem Werke von Grube zu Grube fort. Die Erzählungen gewannen dabei eine wunderbar schnelle Verbreitung, wobet sie von Mund zu Mund, wie das gewöhnlich geschieht, noch wuchsen.
Zwei Männer allein machten in Folge ihrer hohen Bildung und ihres nüchternen Charakters’ eine rühmliche Ausnahme und ließen sich nirgends zu der Annahme einer Einwirkung von Berggeistern, Gnomen oder Feen verleiten.
Das waren Simon Ford und dessen Sohn Sie legten dafür ein weiteres Zeugniß ab, als sie, auch nach dem Aufgeben der Arbeiten in der Grube Dochart, doch noch in der einsamen Höhle wohnen blieben. Vielleicht hatte die gute Madge, wie es bei jeder Bergschottin der Fall ist, einen gewissen Hang zum Uebernatürlichen. Alle Berichte über Geistererscheinungen und dergleichen wiederholte sie sich aber nur im eigenen Innern, wenn auch mit aller Gewissenhaftigkeit, um die alten Traditionen wenigstens nicht zu vergessen.
Doch wären selbst Simon und Harry Ford ebenso abergläubisch gewesen wie ihre Kameraden, sie hätten auch dann das Werk den Genien und Feen noch nicht überlassen. Die Hoffnung, eine neue Kohlenader aufzufinden, hätte sie dem ganzen phantastischen Gesindel von Gnomen Trotz bieten lassen.
Ihr Glaube concentrirte sich nur auf den einen Punkt: sie konnten nicht zugeben, daß das Kohlenlager von Aberfoyle schon vollständig erschöpft sei. Man hätte mit Recht sagen können, daß Simon Ford und sein Sohn in dieser Hinsicht buchstäblich einen »richtigen Köhlerglauben« hatten, einen Glauben an Gott, den nichts zu erschüttern vermochte.
Zehn volle Jahre lang, ohne einen Tag ganz zu feiern, nahmen Vater und Sohn, unbeirrt in ihrer Ueberzeugung, Haue, Stock und Lampe zur Hand, gingen aus, nach neuen Schätzen zu suchen, und beklopften jeden Felsen, um zu hören, ob er nur einen trockenen oder einen versprechenderen Ton gab.
Da die früheren Sondirungen den Granit der primären Formation noch nicht erreicht hatten, blieben Simon und Harry Ford bei der Ansicht, daß die heute fruchtlose Untersuchung es morgen ja nicht zu sein brauche, also rastlos wiederholt werden müsse. Ihr ganzes Leben verwendeten sie auf die Versuche, den Werken von Aberfoyle ihr früheres Gedeihen wieder zu gewinnen. Sollte der Vater dabei unterliegen, bevor ein Erfolg erzielt war, so hätte der Sohn dieses Unternehmen allein fortgesetzt.
Gleichzeitig behielten diese beiden treuen Wächter der Kohlengrube auch deren Instandhaltung unentwegt im Auge. Sie prüften, ob irgendwo ein Einsturz zu befürchten sei, ob man den oder jenen Theil derselben dem Verfalle überlassen müsse. Sie spürten dem Eindringen der Tageswasser nach, gruben Abflußrinnen und leiteten sie irgend einem Schöpfbrunnen zu. Mit einem Wort, sie dienten freiwillig als Beschützer und Erhalter dieser unproductiven Anlage, aus der ehemals so große, jetzt in Rauch verflüchtigte Reichthümer hervorgegangen waren.
Bei einigen dieser Excursionen beobachtete vorzüglich Harry gewisse auffallende Erscheinungen, zu deren Erklärung er nicht gelangen konnte.
Mehrmals, wenn er den oder jenen engen
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