Schwarz-Indien
näher in Augenschein zu ehmen, dann mußten sie den Weg aber allein zu sinden wissen. Die Einwohner von Irvine hätten sie um keinen Preis der Welt dahin geleitet. Daran mochten vorzüglich die Erzählungen von gewissen »Feuerhexen« schuld sein, welche das Schloß unsicher machten.
Die Abergläubischsten behaupteten, jene phantastischen Wesen gesehen, mit eigenen Augen gesehen zu haben. Jack Ryan gehörte natürlich zu den Letzteren.
Die Wahrheit hieran war, daß von Zeit zu Zeit, bald über einer halb zusammengefallenen Mauer, bald an der Höhe des Thurmes, der die Ruinen von Dundonald-Castle überragt, lange Flammen sichtbar wurden.
Aehnelten dieselben wirklich der Gestalt eines Menschen, wie man allgemein behauptete? Verdienten sie den Namen »Feuerhexen«, den ihnen die Uferbewohner beilegten? Offenbar lag hier nur eine der großen Leichtgläubigkeit zuzuschreibende Täuschung vor, während eine nüchterne Prüfung die ganze Erscheinung leicht auf ihre physikalischen Ursachen zurückgeführt hätte.
Wie dem auch sei, die Feuerhexen standen in der ganzen Umgebung in dem Rufe, die Ruinen des alten Schlosses häufig zu besuchen und dort, vorzüglich in dunklen Nächten, ihre wilden Tänze und Gesänge aufzuführen. Ein so muthiger Gesell Jack Ryan auch war, er hätte doch nimmermehr gewagt, jene dabei auf seinem Dudelsacke zu begleiten.
»Für sie ist der eisgraue Nick schon genug, sagte er; der bedarf meiner nicht, sein Orchester zu verstärken.«
Man wird leicht glauben, daß diese seltsamen Erscheinungen den obligaten Text der Vorträge bei den Abendvereinigungen abgaben, Jack Ryan besaß ein ganzes Repertoire Legenden von den Feuerhexen und kam niemals in Verlegenheit, wenn dieses Thema angeregt wurde.
Auch bei der letzten Abendgesellschaft des Irviner Festes, bei der Ale, Brandy und Whisky reichlich flossen, verfehlte Jack Ryan nicht, zum großen Vergnügen und doch auch zum heimlichen Graulen der Zuhörer, sein Lieblingsthema wieder aufzunehmen.
Diese Versammlung fand in einer großen Scheuer der Meierei von Melrose, nahe dem Ufer der Bai, statt. In der Mitte der Theilnehmer loderte ein tüchtiges Cokesfeuer auf einem eisernen Dreifuß.
Draußen tobte ein schweres Wetter. Ueber die Wellen jagten dichte Dunstmassen dahin, unter denen jene, von einem steifen Südwest getrieben, der Küste zueilten. Bei der pechschwarzen Nacht, ohne jede hellere Stelle am Himmel, flossen Erde, Himmel und Wasser in der Finsterniß zusammen und mußten jede Landung in der Bai von Irvine außerordentlich erschweren, im Fall sich ein Schiff bei dem heftigen, auf die Küste zutreibenden Winde hinein wagte.
Der kleine Hafen von Irvine ist nicht stark besucht, wenigstens nicht von Fahrzeugen mit einigermaßen größerem Tonnengehalte. Größere Dampf-und Segelschiffe steuern auf das Land etwas nördlicher zu, wenn sie in den Golf von Clyde einfahren wollen.
An jenem Abend aber hatte ein am Strande zurückgebliebener Fischer nicht ohne Verwunderung ein Fahrzeug bemerkt, welches auf die Küste zu hielt. Wäre es plötzlich Tag geworden, man hätte nicht mit Erstaunen, sondern mit Entsetzen erkannt, daß das Fahrzeug mit dem Wind im Rücken und mit aller Leinwand, die es tragen konnte, darauf zu segelte. Verfehlte es aber einmal den Eingang des Golfes, so fand es keine rettende Bai an den mächtigen Felsen des Ufers. Wenn dieses unvorsichtige Schiff sich noch weiter näherte, so war nicht einzusehen, wie es wieder werde abkommen können.
Die Abendgesellschaft sollte eben nach einem letzten Liede Jack Ryan’s geschlossen werden. Die einmal in die Welt der Phantome versetzten Zuhörer waren gerade in der Verfassung, gegebenen Falls ganz ihrem Aberglauben gemäß zu handeln.
Plötzlich hörte man draußen laut und ängstlich rufen. Jack Ryan unterbrach seinen Vortrag und Alles eilte aus der Scheuer.
Die Nacht war dunkel; peitschend flogen kalte Regenschauer über den Strand.
Einige Fischer, welche sich gegen einen Felsen lehnten, um dem Winde besser Trotz zu bieten, riefen wiederholt mit lauter Stimme.
Jack Ryan und seine Genossen liefen auf sie zu.
Das Rufen galt freilich nicht den Insassen des Gutes, sondern einer Schiffsmannschaft, welche unbewußt in ihr Verderben lief.
Einige Kabellängen vom Ufer erhob sich eine dunkle Masse. Daß es ein Segelschiff sei, erkannte man an seinen Positionslichtern, einem grünen Licht an der Steuerbord-und einem rothen auf der Backbordseite (ein Dampfschiff hätte auch noch ein
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