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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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geleugnet, als Harry für so theilnahmslos gehalten.
    Zwei Tage nach dem Schiffbruche schon verließ Jack Ryan fröhlich und wohlgemuth die Meierei, als fühle er nicht das Geringste mehr von seinen Wunden. Mit einem munteren, aus voller Brust gesungenen Liede rief er das Echo an den Uferfelsen wach und wanderte nach der Eisenbahn, welche über Glasgow nach Stirling und Callander führt.
    Da fiel ihm, als er auf dem Bahnhofe wartete, ein an verschiedenen Stellen angeheftetes Placat in die Augen. Es enthielt folgende Bekanntmachung:
    »Vergangenen 4. December hat sich der Ingenieur James Starr aus Edinburgh am Granton-pier an Bord »des Prince de Galles« begeben und dieses Schiff an demselben Tage in Stirling verlassen. Seit dieser Zeit fehlt jede Nachricht von ihm.
    Man bittet dringend, jede bezügliche Auskunft dem Präsidenten der Royal Institution in Edinburgh zukommen zu lassen.«
    Jack Ryan blieb vor einer dieser Affichen stehen und las sie zweimal unter dem Ausdrucke des höchsten Erstaunens.
    »Herr Starr! rief er aus. Gerade am 4. December bin ich ihm und Harry doch auf einer der Leitern des Yarow-Schachtes begegnet! Seitdem sind zehn Tage vergangen, und so lange sollte er nicht wieder erschienen sein? Das scheint mir zu erklären, warum mein Freund Harry nicht nach Irvine gekommen ist.«
    Ohne sich Zeit zu nehmen, den Präsidenten der Royal Institution brieflich von dem zu benachrichtigen, was er von James Starr wußte, sprang der wackere Bursche in den Zug, um sich zunächst selbst nach dem Yarow-Schachte zu begeben. Dort wollte er, wenn nöthig, bis ganz hinunter in die Grube Dochart steigen, um Harry aufzusuchen und gleichzeitig den Ingenieur James Starr zu finden.
    Drei Stunden später verließ er in Callander die Bahn und eilte so schnell er konnte nach dem Yarow-Schachte.
    »Sie sind nicht wieder herausgekommen? fragte er sich. Weshalb?Sollte sie irgend ein Hinderniß davon abhalten? Sind sie im Grunde der Kohlengrube so lange mit einer wichtigen Arbeit beschäftigt? – Das muß ich wissen!«
    In weniger als einer Stunde traf Jack Ryan an dem Schachte ein.
    Aeußerlich zeigte sich hier keine Veränderung; dieselbe Stille in der Tiefe, kein lebendes Wesen in der Einöde.
    Jack Ryan betrat das halb verfallene Haus, welches die Schachtöffnung bedeckte. Er blickte hinunter in den Abgrund… er sah nichts. Er lauschte gespannt… er hörte nichts.
    »Und meine Lampe, sagte er, sollte sie nicht auf ihrem Platze sein?«
    Die Lampe, deren sich Jack Ryan bei seinen Besuchen der Grube zu bedienen pflegte, stand gewöhnlich in einem Winkel nahe dem Podest der ersten Leiter.
    Die Lampe war verschwunden.
    »Das wäre also der erste auffällige Umstand!« sagte Jack Ryan, der etwas unruhig zu werden begann.
    Dann setzte er, trotz seiner Hinneigung zum Aberglauben, hinzu:
    »Ich werde doch hinunter gehen, und wäre es in der Grube finsterer als im tiefsten Schoße der Hölle!«
    Sofort machte er sich daran, die lange Reihe der Leitern hinabzuklettern, welche in den schwarzen Schacht führten.
    Dieses Wagniß konnte Jack Ryan deshalb unternehmen, weil er die Grube Dochart noch von früher her genau genug kannte. Er stieg mit aller Vorsicht hinab und prüfte mit dem Fuße jede Sprosse, ob sie noch haltbar sei. Jeder Fehltritt konnte für ihn todtbringend werden. Jack Ryan zählte auch die einzelnen Leitern, welche er hinabkletterte, um nach einer tieferen Etage zu gelangen. Er wußte es, daß er den Grund des Schachtes erst nach Zurücklegung der dreißigsten erreichen würde. Dort einmal angelangt, dachte er die am Ende der einen Galerie errichtete Cottage ohne Schwierigkeiten wieder zu finden.
    Jack Ryan erreichte den sechsundzwanzigsten Podest: hier trennten ihn also höchstens noch zweihundert Fuß von der Schachtsohle.
    Er suchte mit dem Fuße die Stufen der siebenundzwanzigsten Leiter – vergeblich, er fand keinen Stützpunkt.
    Jack Ryan kniete auf dem Podeste nieder, er dachte das Ende der Leiter mit der Hand besser zu finden… es gelang ihm nicht.
    Offenbar befand sich die siebenundzwanzigste Leiter nicht an ihrem Platze und war folglich entfernt worden.
    »Hier muß der alte Nick geklettert sein:« sagte er sich, nicht ohne das Gefühl eines gelinden Schauers.
    Erst stand er mit gekreuzten Armen überlegend in der undurchdringlichen, Finsterniß. Dann kam ihm der Gedanke, daß es, wenn er nicht hinuntersteigen konnte, den Bewohnern der Grube ebenfalls unmöglich sein müsse, herauf zu kommen. Zwischen der

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